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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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ferngeblieben. Als er uns sah, Will tränenüberströmt und mich kreidebleich und bibbernd, watete er schnurstracks in den Fluß hinaus, griff sich den Fisch und schlug ihn mit dem Kopf gegen einen Stein. »Da«, sagte er und ging weiter. Meine Begeisterung für den Angelsport war nach diesem Vorfall erloschen. Will versuchte es nie wieder.
    Als ich später zurückdachte, erschienen mir diese Erinnerungen an Wantchester einigermaßen unheilverkündend. Vielleicht war mir schon nicht ganz wohl, als wir die Wahl trafen, aber ich achtete nicht darauf, weil ich die Sucherei satt hatte. Wantchester erfüllte unsere Kriterien. Stan und ich kannten den Ort. Das genügte.
    »Wantchester also«, sagten wir.
    Der nächste Schritt war natürlich, hinzufahren und den Ort abzuchecken. »Ich wünschte, du könntest mitkommen«, sagte ich zu Stan.
    »Du brauchst doch wohl keine Hilfe bei einer Stadtbesichtigung«, antwortete er. Seine Stimme klang indigniert. Ich merkte allmählich, daß Stan jedesmal einschnappte, wenn ich irgendwo ohne ihn hinging, also ließ ich die Sache auf sich beruhen.
    Am nächsten Tag fuhr ich nach Wantchester und stellte fest, daß es dort immer noch recht nett war, trotz eines Systems von Einbahnstraßen und dem kalten Februarwind. Ich machte sogar einen Spaziergang am Fluß entlang, um der alten Zeiten willen. Da standen die Weiden, winterlich kahl, und braunes Wasser strudelte unter der Brücke hindurch, genau wie damals, aber der Uferweg aus meinen Jugenderinnerungen endete heute an der neuerbauten Fabrik. Also kehrte ich in den Ort zurück und lenkte meine Schritte zu dem großen Hotel, das ich an der anderen Seite des Marktplatzes gesehen hatte. An das Hotel konnte ich mich vage erinnern, obwohl wir in einer Pension gewohnt hatten, aber viel deutlicher hatte sich mir der Marktplatz eingeprägt, mehr eine sehr breite Straße, der tatsächlich seinem Namen entsprechend genutzt wurde. Zu meinem Entzücken war auch an diesem Tag der Platz - die Straße - voller Buden, und auf dem ganzen Weg zum Hotel schaute ich links und rechts auf Keramik, Obst und Kleidung, fast genauso wie als kleiner Junge.
    Das Hotel hieß, zu meiner Bestürzung, Hotel Babylon.
    Es gibt keine Zufälle, dachte ich und trat durch das Glasportal ins Foyer. Es war groß und in jeder Hinsicht gedämpft und das Interieur eine seltsame Mischung aus Moderne und Kleinstadttradition. Überall begegneten einem Spiegel, und die Dame hinter der Rezeption war Ausländerin, aber im Restaurant mit gutbürgerlicher Speisekarte saß die Landbevölkerung, die wegen des Pferdemarkts gekommen war, und die Bedienung sprach mit dem Akzent der Gegend. Während ich zwischen den Spiegeln Hühnchen und Champignonpastete aß, merkte ich, daß das Gebäude exakt auf dem Nodus stand. Immer besser. Nach dem Essen erkundigte ich mich, ob es möglich sei, für die Ostertage ein Zimmer zu reservieren. Stan und ich hatten uns auf Ostern geeignet, weil das ein magisch bedeutungsvoller Zeitnodus ist.
    Von der Empfangsdame war keine vernünftige Auskunft zu bekommen, deshalb verlangte ich den Direktor zu sprechen. Der Mann hieß Alfred Douglas, aber das war nicht seine Schuld. Osterwochenende? fragte er. Es täte ihm sehr leid, doch für diesen Zeitraum wären sämtliche Zimmer für die Teilnehmer eines Kongresses reserviert.
    Fast wäre ich gegangen. Vielleicht hätte ich es tun sollen - auf jeden Fall wäre alles ganz anders gekommen. Ich war kurz davor, Wantchester abzuschreiben und mein Glück mit einem anderen Ort zu versuchen, als mir einfiel zu fragen, was für ein Kongreß - in der Erwartung zu hören, es handle sich um Freimaurer, Sozialarbeiter oder eine Art Schulung von Firmenangehörigen.
    Ein Konvent von Bücherfreunden, erklärte Mr. Alfred Douglas. Science Fiction und Fantasy - oder vielleicht lautete die korrekte Bezeichnung spekulative Fiktion. Diese Art Literatur jedenfalls, Sir.
    Zufälle gibt es nicht, dachte ich staunend. Mervin Thurless war Science-Fiction-Autor. Den Informationen meiner amerikanischen Gewährsleute zufolge hatte Fisk einmal ein Seminar über das Schreiben von SF abgehalten. Ich wußte nicht, wie Punt und Gabrelisovic zu dem Genre standen, aber wenigstens die Hälfte meiner Kandidaten paßte ins Bild. Für zwei von ihnen war es die natürlichste Sache der Welt, diesen Kongreß in Wantchester zu besuchen.
    »Aber das ist genau, wonach ich gesucht habe!« sagte ich.
    Bei genauerem Nachfragen erfuhr ich, daß der Veranstalter dem

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