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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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knurrendem Magen wach, aber es muß sich einfach lohnen!) Sie gehen niemals aus. Anscheinend ist Onkel Ted irgendwann einmal mitten in der Welsh National Opera die Idee zu einem Buch gekommen, und sie mußten sofort nach Hause fahren, damit er das erste Kapitel schreiben konnte. Janine haßt es, Geld für nichts auszugeben, also bleiben sie jetzt immer zu Hause. Auch der Fernseher wird nur ganz selten angestellt, weil er Onkel Teds Gedankengänge stört.
    Da saßen wir also. Nun könnte man denken, daß ein weltbekannter Schriftsteller wie Onkel Ted ein interessanter Gesprächspartner sein müßte, zumindest würde man annehmen, daß er von den Heimtücken seiner neuesten Dämonen erzählt (kein anderer kann sich Dämonen ausdenken wie Onkel Ted; sie sind herrlich gruselig). Aber Pustekuchen. Er redet grundsätzlich nicht über seine Arbeit und über nichts, was damit zusammenhängt.
    Am zweiten Abend fragte ich ihn nach dem Grund. Janine schaute mich an, als hätte ich erwähnt, der Papst wäre neuerdings Voodooanhänger. Onkel Ted antwortete, das Gerede würde er sich für Auftritte in der Öffentlichkeit aufheben. »Schreiben ist ein Job wie jeder andere«, sagte er. »Ich möchte aus dem Büro nach Hause kommen und die Beine hochlegen, bildlich gesprochen.« (Er arbeitet natürlich zu Hause.)
    »Tja, das ist ein Standpunkt«, sagte ich. In Wirklichkeit war ich entsetzt. Nichts, was mit der Phantasie zu tun hat, sollte einfach ein »Job« sein. Meine Meinung von Onkel Ted, den ich immer zie mli ch gern gehabt hatte und bewunderte, sauste ungebremst bis fast auf Null hinunter.
    Und die deprimierende Talfahrt ging weiter, ruckweise und holpernd wie mit einem Schlitten auf einem sehr flachen Hang, weil Onkel Ted anfing, über das Haus zu sprechen. Und über Geld. Voller Genugtuung erzählte er mir, mit welchem Buch er welche Renovierungsarbeiten oder Umbauten finanziert hatte. Und Janine nickte enthusiastisch und erinnerte ihn, daß Nicks Souterrain mit The Curse on the Cottage bezahlt worden war, und er nannte die nach Maß angefertigten Bücherschränke per Surrender, You Devil, und beide erklärten mir, daß sie sich nach Shadowfall einen Innenarchitekten leisten konnten, um das Wohnzimmer aufzumöbeln. Ich fand, das war eine schreckliche Art, den Wert eines Buches zu bemessen. Für mich war ein Buch ein Kunstwerk.
    »Aber die Fenster haben wir in allen Räumen gelassen wie sie waren«, schloß Onkel Ted. »Wir durften nichts ändern.«
    Die Fensterscheiben in diesem Haus hatten mich schon immer fasziniert, von Kind an. Das Glas ist wellig und bucklig. Wenn man nach vorn hinausschaut - besonders an Abenden -, sieht man da draußen eine Art Wall aus Häusern und Bäumen, gespickt mit erleuchteten Fensterquadraten, die fließen und zerfließen, als würden sie sich gerade in etwas anderes verwandeln. Aus manchen Blickwinkeln recken und blähen sich die Häuser zu grotesken Gebilden, und man könnte wirklich glauben, sie durchliefen eine Reihe verschiedener Dimensionen. Die Aussicht an der Rückseite ist ebenso beeindruckend dort bietet sich einem ein marineblaues Panorama der Stadt vor blassem Abendrot. Und wenn die Straßenlampen angehen, erscheinen sie wie Gucklöcher zum orangefarbenen Himmel. Alles schwimmt und schlägt Wellen, und man hat die Illusion, bis zu einem magischen, fremden Ort jenseits der Stadt zu schauen.
    Ich ahnte, Onkel Ted würde all die Magie zerstören, indem er etwas Banales über seine Fenster sagte, und ich wünschte mir verzweifelt, er möge es nicht tun. Fast betete ich, er möge es nicht tun. Aber er tat es. Er sagte: »Es ist Notglas aus dem Zweiten Weltkrieg, mußt du wissen. Als Hitler die Docks bombardierte, zerbrachen in diesem Haus durch die Druckwellen der Explosionen sämtliche Fensterscheiben und mußten ersetzt werden. Also lassen wir die Fenster wie sie sind. Das Glas ist historisch. Und das Haus gewinnt durch sie nicht unerheblich an Wert.«
    Ist es zu fassen? Er schreibt Fantasy. Er besitzt Fenster zu anderen Dimensionen. Und woran denkt er? Wieviel Geld sie wert sind.
    Ja, ich weiß, ich bin undankbar und schrecklich. Sie lassen mich bei sich wo hn en. Aber trotzdem ...
    Nick wenigstens hat die Besonderheit der Fenster erkannt. Er sagt, sie erlauben einem den Blick in ein alternatives Universum namens Bristolia. Und da er in gewisser Weise ebenso praktisch denkt wie sein Vater, hat er Pläne von Bristolia angefertigt, für ein FantasyRollenspiel...

    [3]
    ... scheußliche

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