Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
Vom Netzwerk:
Mädchen anzurufen, die in ihrer Boutique oben in Clifton arbeiten. Sie müssen von jeher als Blitzableiter herhalten: Wenn Madame schlechte Laune hat, wird die eine oder andere wegen irgendeiner Kleinigkeit gefeuert. Als ich mit einem Armvoll meiner Sachen nach oben ging, hörte ich sie ins Telefon sagen: »Sie muß gehen. Ich habe die Nase voll von ihr.« Diese gräßlichen Pullover, die sie imm er trägt, stammen aus dem Laden. Einer, den ich besonders scheußlich finde, ist ausgerechnet der, den sie am Tag meines Einzugs trug - er sieht aus, als hätte man Reispudding über eine Schulter gekleckert. Nick sagt, er haßt den mit den bronzefarbenen gebackenen Bohnen am meisten.
    Und Janine glaubt, ich würde Nick verderben. Oder ihr seine Liebe stehlen oder so was. Dabei k ann man das gar nicht. Niemand könnte es. Nichts kann Nick beeinflussen, außer er will es so. Nick ist süß und freundlich und ein Egoist reinsten Wassers. Als ich bei Tante Irene wohnte, nur ein paar Häuser weiter die Straße hinunter, geruhte Vetter Nick nicht ein einziges Mal, mich zu besuchen. Irgendwann während des Hin und Hers zwischen dem Auto und meinem Zimmer fragte ich ihn warum.
    »Das Haus ist voller Kinder!« antwortete er, überrascht, daß ich mir das nicht denken konnte. Nick selbst, sollte ich vielleicht erwähnen, ist stolze vierzehn Jahre alt. Er schaute mit den Händen in den Taschen zu, wie ich Kartons und Tüten aus dem Kofferraum holte. »Du hast einen Computer«, bemerkte er. »Meiner ist ein Laptop. Was ist deiner?«
    »Alt und klapprig und inkompatibel mit so gut wie allem und jedem - genau wie ich.«
    Er hob ihn tatsächlich auf und trug ihn für mich nach oben ins Dachgeschoß, wo seine Mutter mich einquartiert hatte. Ich glaube, er erwies mir eine Ehre - entweder das, oder er fürchtete, ich könnte ihn fallenlassen. Er hat keine hohe Meinung von Frauen (kein Wunder, bei einer Mutter wie Janine). Dann kam er wieder herunter und betrachtete den Wagen. »Ganz nett«, meinte er.
    »Er gehört meinem Vater«, erklärte ich. »Oder gehörte. Er hat gesagt, er gehört mir, sobald ich meine Fahrprüfung bestanden habe.«
    »Und wann hast du?«
    »Verrat’s nicht, aber die Prüfung ist erst am Montag.«
    »Aber wie bist du dann nach Bristol gekommen?«
    »Na, wie wohl! Gefahren natürlich.«
    »Aber ... Ganz allein?«
    »Klar.«
    Ich konnte sehen, daß es mir gelungen war, Vetter Nick zu beeindrucken. Man muß jemanden wie Nick möglichst klein halten, oder es kommt unweigerlich so weit, daß man seine Socken wäscht, während er barfuß über einen wegspaziert. (Robbie war genauso, nur habe ich es nicht geschafft, ihn lange genug zu beeindrucken.) Nick hat seine Eltern genau da, wo er sie haben will. Ich war entzückt und hocherfreut, als ich herausfand, daß Janine tatsächlich Nicks Socken mit der Hand wäscht, weil er behauptet, er bekäme sonst wunde Füße! O nk el Ted drückt ihm mehr oder weniger jedesmal, wenn sie sich auf der Treppe begegnen, einen mittleren Schein in die Hand. Und Nick hat das ganze Souterrain des Hauses für sich. Seine Eltern müssen anklopfen, bevor sie hereinkommen. Ehrlich. Er zeigte mir sein Reich, nachdem ich all meine Habseligkeiten nach oben geschafft hatte. Noch eine Auszeichnung. Dieses Souterrain war die reinste Luxus-Suite. Pflaumenblaue Auslegware! Und seine Stereoanlage! Neid!
    »Ich habe den Teppich selbst ausgesucht«, verkündete er.
    »Wunderschöne Sargtuchfarbe«, meinte ich. »Wie ein Bischofsornat mit einem Hauch Schimmel. Man könnte gläserweise Schwarzes Johannisbeergelee hier verkleckern und würde es nicht merken.«
    Nick lachte. »Warum bist du immer so negativ?«
    »Pech in der Liebe«, antwortete ich. »Frag bloß nicht! Ich werde gefährlich.«
    »Aber du bist immer gefährlich«, sagte Nick. »Deshalb mag ich dich.«
    Ja, Nick und ich kommen gut miteinander aus. Vielleicht ist das der Grund, weshalb Janine mich nicht leiden kann. Scheint’s ist es uns gelungen, das Band unserer Freundschaft genau an der Stelle wieder zu knüpfen, wo es zerriß, als meine Eltern sich scheiden ließen und nach London zogen. Diese Freundschaft reicht zurück bis in die Zeit, als Janine meine Mutter bezahlte, damit sie auf Nick aufpaßte. Das Problem war, Mum hat nichts übrig für Wickelkinder (obwohl sie zie mli ch gut mit Teenagern umzugehen versteht, wie ich bezeugen kann), und sie pflegte Nick an mich abzuschieben, sobald ich aus der Schule nach Hause kam. Einige meiner

Weitere Kostenlose Bücher