Eine Frage der Balance
nur, weil ich es sonst niemandem sagen kann. Die ganze Sache ist mir zuwider. Ich frage mich, weshalb ausgerechnet ich mich damit herumschlagen muß, und ich will, daß wieder Ruhe und Ordnung einkehren.«
»Verstehe. Ist Prinzessin Alexandra nicht bei Euch?«
»Bei allen Göttern, nein! Ich habe sie nach Thalangia geschickt. Wenigstens gibt es dort keine Kämpfe. Ich wünschte, ich wäre auch dort.«
Ich glaubte ihm, da er - ganz Kavalier - die einzige Person, die ihm eine Vertraute gewesen wäre, dorthin geschickt hatte. »Ist es weit bis nach Thalangia?« erkundigte ich mich und dachte dabei, wenn ich ihm riete, sich ebenfalls dorthin zu verfügen und das Imperium vor die Hunde gehen zu lassen, ob er darauf eingehen würde. Es war schwer, jemanden zu sehen, der so unter Druck stand, ohne daß man automatisch den Wunsch verspürte, ihm zu helfen.
»Weit? Es liegt zwei Welten Mehrwärts von hier. Und Ihr könnt sicher sein, daß ich meine besten Truppen abgestellt habe, um das dortige Weltentor zu bewachen. Diese Tore sind so verdammt verwundbar. Das Telth-Tor war binnen Sekunden gesprengt.« Auf meinen fragenden Blick hin fügte er hinzu: »Ich stamme von dort - aus Thalangia. Gemäß der Politik des Imperiums durfte kein Militärangehöriger in seiner Heimatwelt dienen. Ich wurde hierher versetzt. Aber ich würde morgen nach Hause zurückkehren, nur weiß ich verflucht genau, daß auch in Thalangia der Teufel los wäre, wenn niemand mehr an der Spitze steht, um das Reich zusammenzuhalten.«
»Da habt Ihr allerdings recht.« Dann, als letzten Versuch, die Dinge in die Richtung zu lenken, die bestimmt war, sagte ich: »Ihr könntet das Problem lösen, indem Ihr selbst den Thron besteigt. Was hindert Euch?«
Er bedachte mich mit einem langen, ausdruckslosen Blick. Es war fast ein Blick des Hasses. »Ich fühle mich nicht im mindesten versucht, Magid. Es gibt Männer auf Telth und Annergam, aus viel besserer Familie als ich, die dort die Macht übernommen haben, aber sie reden nicht von einer Thronbesteigung, und sie wagen es nicht, sich den Titel Kaiser anzumaßen. Sie wissen es. Ich weiß es. Ich fühle mich nicht versucht.«
»Schon gut«, sagte ich niedergeschlagen. »Schon gut. Dann bleibt Euch nichts anderes übrig, als weiter nach Knarros zu suchen.«
Er stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. »Ich weiß. Noch acht Tote mehr.«
»Acht weitere arme Narren sind tot«, berichtete ich Stan nach meiner Rückkehr ins traute Heim mit einem schwarzen, ausgefransten Loch in einem Hosenbein und rußverschmierten Händen.
»Sieben von ihnen hätten sowieso dran glauben müssen«, sagte er. »Du kennst die Bräuche im Imperium.« In dieser Woche hörte er Scarlatti, Sonaten für Cembalo. Während meiner Arbeit an den Schicksalsbahnen war es Bach gewesen. Nun eben Scarlatti. Pingelpingelping. Domenico Scarlatti hat der Nachwelt mehr als fünfhundert Sonaten für Cembalo hinterlassen. Ich besaß davon nur eine kleine Auswahl, also ging ich gleich am Nachmittag los und kaufte drei weitere CDs - reine Selbstverteidigung, damit ich mir nicht ständig dasselbe Pingelpingelping anhören mußte, während ich mir noch einmal T im os’ Diskette vorn ahm .
Ich hoffte, irgendwo verborgen Informationen über diesen mysteriösen Knarros zu finden. Der Kaiser hatte sich überwunden, diese verschlüsselten Aufzeichnungen anzufertigen; in Anbetracht seines Verfolgungswahns mußte es ihm vorgekommen sein, als riefe er die Fakten vom Dach des Palastes in die Welt hinaus. Also weshalb nicht noch einen Schritt weitergehen und der Diskette alles anvertrauen? Selbst er mußte sich im klaren darüber gewesen sein, daß er möglicherweise nicht verfügbar sein würde, um das Programm zu erklären. Ich spekulierte auf hinter den Listen verborgene Daten, denn auf der Diskette war noch reichlich Speicherplatz frei. Und genau das war es, was ich fand - freier Speicherplatz. Die vorhandenen Daten waren als Schleife programmiert; man wurde automatisch immer wieder an den Anfang zurückgeführt. Babylon, dachte ich unbehaglich. Erst kamen die Grafiken mit den wie Isobaren angeordneten Welten und fließenden Übergängen von einer Konstellation zur anderen und danach, diese überlagernd, die teilanimierten Abbilder von Männern und Frauen und Kentauren beiderlei Geschlechts.
Alle zeigten dem Betrachter ihr Profil, und wie bereits gesagt, hatte es den Anschein, als wären Bilder aus Fotografien wirklicher Personen herauskopiert worden. Ich
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