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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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waren Thronfolger schockweise aufgetaucht, dazu etliche Dutzend Knarrosse. Das letzte Fax meldete:

    Ich habe den Kreis eingeengt auf acht Männer, die möglicherweise Knarros sein könnten.
    Das Kaiserreich würde Eure Hilfe in dieser Angelegenheit zu schätzen wissen.

    »Was denkst du, soll ich tun?« fragte ich Stan.
    »Söhnchen, meine Aufgabe ist es, dich bei der Auswahl eines neuen Magids zu beraten, weiter nichts«, antwortete er. »Was denkst du denn?«
    »Ich ... denke ...«, sagte ich langsam und horchte dabei in mich hinein, auf meine innere Stimme, »daß das Kaiserreich zerfällt, wie es von Anfang an bestimmt war, und aus diesem Grund wird es immer dem jüngsten Magid zur Betreuung übergeben. Er oder sie wird Fehler machen. Ich hätte diesen armen Burschen Timotheo retten können - schon gut, passiert ist passiert; ich werde mir deswegen nicht länger an die Brust schlagen. Aber nach Beispielen aus der Geschichte dieser Welt zu urteilen, gibt es, wenn ein großes Reich untergeht, gewöhnlich ein oder zwei letzte Herrscher, die entweder zu jung oder zu schwach sind, um ... um ...«
    »Um den Prozeß zu beschleunigen?«
    »Genau. Also nehme ich an, es ist meine Aufgabe, einen Knarros zu finden - irgendeinen Knarros -, da mi t ein schwacher Herrscher den wackelnden Thron von Koryfos besteigt. Stan, dieser Aspekt der Arbeit eines Magids gefällt mir überhaupt nicht.«
    »Ich weiß«, sagte er. »Ich habe auch ein paar schmutzige Dinge getan.«
    Ich setzte mich mit Dakros in Verbindung, und er nannte als Treffpunkt eine weit draußen gelegene Vorstadt Iforions. Ich sollte einfach auf der Straße warten, jemand werde mich in Empfang nehmen.
    Und wie!
    Ich trat hinaus auf eine zugige, von Trümmern übersäte Straße zwischen zwei Reihen kleiner Häuser, und etwas pfiff an meinem Kopf vorbei und schlug hinter mir in eine niedrige Ziegelsteinmauer. Was immer es war, es verfehlte mich nur, weil ich schon beim ersten Schritt über die Trümmer stolperte und mir den Knöchel verknackste. Trotzdem war ich wie der Blitz in dem Garten hinter der Mauer, duckte mich und schaute zu, wie die Gegenseite das Feuer erwiderte. In dem Haus neben meinem Zufluchtsort jaulte eines der seltsamen koryfonischen Strahlengewehre. Auf einem Dach gegenüber taumelte ein brennendes Bündel mit ausgestreckten Armen, aber ohne Beine, hinter einem Schornstein hervor und stürzte außer Sicht. Der Gestank von verbranntem Fleisch wehte zu mir her. Mir wurde schlecht. Ich weiß, solche Dinge geschehen andauernd in meiner Welt - in fast allen Welten -, aber trotzdem fühlte ich mich elend und erschüttert und deprimiert. Außerdem fragte ich mich bang, welche Seite meine Seite war.
    General Dakros beantwortete mir diese Frage, als er aus der Tür des Nachbarhauses gestürzt kam. »Lebt Ihr noch, Magid?« rief er. Ohne das hätte ich ihn vermutlich gar nicht erkannt, in einem dicken Pelzmantel mit Kapuze, der garantiert nicht Teil der regulären Armeebekleidung war.
    Sein Auftritt als Balu der Bär nötigte mir trotz allem ein Lächeln ab. Ich rollte mich auf die Knie und rief zurück, alles sei in Ordnung.
    »Tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Dieses Problem mit den Heckenschützen haben wir noch nicht in den Griff beko mm en.« Mit seiner Hilfe kletterte ich über die Mauer und humpelte ins Haus. Im Innern herrschte scheußlicher Brandgeruch. Ich dachte erst, es wäre der tote Heckenschütze, bis Dakros mich in eins der rückwärtigen Zimmer geführt hatte. Die Häuser an dieser Straße zogen sich einen Hügel entlang, durch die Fenster an der Rückseite hatte man einen unverbaubaren Ausblick über die Stadt. Gehabt. Jetzt bot sich dem Betrachter ein Panorama aus ziehenden Rauchschwaden, Hochhäusern mit schwarzen Fensterhöhlen, zwei zerstörten
    Brücken und einer gravitätisch emporwachsenden Rauchsäule mit einem brennenden Turm in der Mitte. In den dicken Qualmwülsten loderten leuchtend rote Flammenbanner. »Aufstände in der Stadt«, erklärte Dakros, während er die Pelzkapuze zurückschob. Er hatte Gewicht verloren und sah viel erschöpfter und gehetzter aus als bei unserer letzten Begegnung. »Den ärmeren Klassen gefällt nicht, wie die Preise steigen.« Er fuhr sich mit beiden Händen durch sein krauses schwarzes Haar, das merklich dünner geworden war. »Ich kann es selbst nicht verstehen«, fuhr er fort. »Das Geld verliert rapide an Wert. Ich mußte eine Preisliste herausgeben, was Grundnahrungsmittel kosten dürfen,

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