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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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machen?«
    »Ich könnte es versuchen«, antwortete er zögernd. »Aber sie denken nicht in diesen menschlichen Begriffen. Soweit es sie betrifft, haben sie mir begrenzten Urlaub gewährt, und damit hat sich’s.«
    »Geh hin und erklär’s ihnen. Ich weiß, daß ich dich brauchen werde.«
    »Präkog?«
    »Absolut.« Ich hatte nicht den geringsten Zweifel.
    »Also gut, aber ich sage dir gleich, es könnte sein, daß ich längere Zeit abwesend sein werde. Unter Umständen muß die Genehmigung von Ganz Oben eingeholt werden, und außerdem läuft außerhalb des Kontinuums die Zeit anders.«
    Danach dauerte es nicht mehr lange, bis er weg war. Er verschwand nicht plötzlich, von einer Minute auf die andere - es war ein allmähliches Verblassen. Im Lauf des Nachmittags klang der Scarlatti aus wie eine ablaufende Spieluhr, und eine schleichende Leere erfüllte das Haus.
    Für den Rest des Tages genoß ich das Gefühl des Ungestörtseins. Endlich nicht mehr damit rechnen müssen, daß mir bei allem, was ich tat, ein unsichtbarer Mitbewohner über die Schulter spähte. Endlich nicht mehr diese schweigende Mißbilligung meiner Arbeit für Koryfos spüren. Und kein Scarlatti mehr!
    Am nächste Tag bemühte ich mich, das gleiche Gefühl der Erleichterung zu empfinden, und redete mir sogar ein, es zu genießen. Am Tag darauf, dem Mittwoch vor dem Kongreß, war ich nicht fähig, irgend etwas zu tun. Ich sagte mir, ich wäre nervös wegen dieser seltsamen Veranstaltung, bei der ich eine für das Schicksal von Welten entscheidende Wahl treffen sollte, aber daran lag es nicht. Stan fehlte mir. Am Donnerstagmorgen beim Frühstück fühlte ich mich hundeelend. Mir schien, daß ich Stan endgültig verloren hatte, ein für allemal, durch meine eigene Uneinsichtigkeit. Die Dort Oben mögen es nicht, wenn man versucht, ihre Entscheidungen nachzubessern (was uns Magids nie hindert, es trotzdem zu tun ...). In den meisten Fällen bekommt man zur Antwort: »Wenn es euch nicht paßt, seht zu wie ihr fertig werdet«, und sie zeigen einem die kalte Schulter. Ich schlug die Zeitung auf, aber ich konnte mich nicht konzentrieren.
    Die Hintertür ging auf. Ein eisiger Windstoß fegte in die Küche.
    Ich fuhr herum. Gott weiß, was ich erwartete - Stan in etwas greifbarerer Gestalt wahrscheinlich -, und ich hoffe, mein freudiges Begrüßungslächeln erlosch nicht allzu plötzlich, als ich Andrew erkannte. Er stand in der offenen Tür und sah wieder aus wie in Trance. Verdammt, aber damit war zu rechnen gewesen. Andrew hatte sich durch einen unglücklichen Zufall im Geflecht der anderen Schicksalsbahnen verfangen. Es war unvermeidlich gewesen, daß er auftauchte.
    »Tut mir leid, Rupert, aber ich muß dich noch einmal bitten, mich zu fahren«, sagte er.
    »Mir tut es auch leid, Andrew«, antwortete ich. »Es geht nicht. Ich verreise heute noch und komme erst Dienstag wieder. Aber komm rein und trink eine Tasse Kaffee.«
    Andrew tat einen Schritt nach vorn, blieb stehen. »Ich kann fertig sein, wann immer du willst. Wohin fährst du diesmal?«
    »Wantchester. Zu einer - Konferenz. Besonderer Art.«
    Andrew bekam diesen nach innen gekehrten Blick, als müsse er Teile seines Gehirns konsultieren, die so weit entfernt waren, daß es einige Zeit brauchte, sie zu erreichen. Dann lächelte er und sah wieder aus wie ein intelligenter Mensch. »Ich komme mit nach Wantchester«, verkündete er. »Danke.«
    »Andrew« - nicht zu fassen! - »es handelt sich um ein Treffen von Liebhabern von Fantasyliteratur, und man muß sich vorher a nm elden.«
    »Scheint mir gar nicht dein Fall zu sein«, bemerkte er. »Meiner ist es auch nicht. Aber ich habe Lust, mir Wantchester anzusehen. Du kannst mich einfach mitten im Ort absetzen. Ich werde dir nicht im Weg sein.«
    Was blieb mir übrig? »Ich wollte gegen halb eins losfahren.«
    »Ich werde da sein«, versprach er, ging hinaus und machte die Tür hinter sich zu. Endlich, denn es war ein ungewöhnlich kalter Frühling, der April hatte mit Schnee begonnen. Ich schenkte mir Kaffee nach, der merklich abgekühlt war, trotz Andrews patentierter Warmhaltekanne, und gestattete mir ein, zwei private Bemerkungen über den Erfinder, während ich trank.
    Stans Stimme ließ sich vernehmen: »Dumm von ihm, den Kaffee abzulehnen. Er riecht köstlich. Ich würde liebend gern eine Tasse tr ink en.«
    »Stan! Sie haben erlaubt, daß du mich begleitest!«
    »Unter Vorbehalt, Rupert, unter Vorbehalt. Ich darf mitkommen, aber ich werde

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