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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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wollte gar nicht wissen, was dabei über mich gesagt worden war, erst recht nicht, weil der hinterhältige kleine Teufel es mit Absicht ausplauderte, damit ich wütend wurde und nicht die ganze Fahrt über schwermütig hinter dem Lenkrad hockte. Überraschung, Vetter Nick. Ein Mensch kann wütend und schwermütig sein. Zur Zeit ist das meine Dauerstimmung. Und ich hasse es, manipuliert zu werden.
    Die Ankunft in Wantchester war nicht geeignet, meine Laune zu verbessern. Nick holte die Karte hervor, die Onkel Ted von den Organisatoren erhalten und Janine nach dem Frühstück für uns kopiert hatte, und sagte: »Hier ist es. Hotel Babylon, genau in der Stadtmitte. Nicht zu verfehlen. Warum, glaubst du, heißt es Babylon? Fernsehshow? Rotglühender Feuerofen? Hängende Gärten? An der nächsten Kreuzung geradeaus.«
    »Was sind eigentlich hängende Gärten?« fragte ich und na hm die Straße, auf die er zeigte. »Ich muß dabei immer an reihenweise Galgen in einem Park denken.«
    »Und ich an schwebende Bäume - die erste rechts.«
    »Die würden uns auffallen«, ich bog ab, »auch so ein qualmender Feuerofen. Oder ein schmuddeliger hoher Turm, der in hundert Sprachen sendet. Turm von Babel. Das war auch in Babylon, oder nicht?«
    Zehn Minuten später erblickten wir es beide - ein großes Schild HOTEL BABYLON über den Hausdächern, aber Wantchester hat ein radikaleres System von Einbahnstraßen als jeder andere Ort, den ich kenne, und wir fuhren in einiger Entfernung daran vorbei. Nach einer Weile sahen wir das Schild wieder, als wir diesmal auf der anderen Seite daran vorbeigeschleust wurden. Doch es gab kein Hinkommen. Wir sahen die Kathedrale, ein Einkaufszentrum, das Rathaus und den Fluß. Wir überquerten den Fluß, weil die Schilder es befahlen, und als nächstes irrten wir über einen großen Platz voller langer gläserner Arkaden wie Tunnels ins Nirgendwo, den Nick verspätet als Whinmore-Busbahnhof identifizierte. Viel zu spät, denn schon war ich gezwungen, den Rückzug anzutreten, Nase an Nase mit einem Doppeldecker, dessen Fahrer def ini tiv nicht erfreut war, uns in seinem Revier vorzufinden.
    Ich fuhr an eine Bushaltestelle, um mich von diesem Abenteuer zu erholen. Von dort hatten wir einen guten Blick auf das Hotel Babylon, ungefähr hundert Meter weit entfernt hinter den gläsernen Arkaden. Ich sah nur einen einzigen Weg, dort hinzugelangen, n ämli ch quer über den Busbahnhof, bei Gefahr einer weiteren Konfrontation mit einem Doppeldecker.
    »Als würde es Barrieren gegen uns errichten«, sagte ich. »Es ist wie ein böser Zauber. Vielleicht sollte ich es mit Umkehrung versuchen und gegen die Einbahnstraßen fahren.«
    »Man würde dich verhaften.« Nick war wunschlos glücklich. Er hatte in der Zwischenzeit einen Stadtplan von Wantchester auf seinen Laptop gezaubert und trug die Orte ein, wo wir gewesen waren. Der Busbahnhof, stellte ich bei einem Seitenblick fest, war zum >Gläsernen Labyrinth der Ungeheuer< geworden.
    »Nick, tust du mir das mit Absicht an?« fragte ich drohend.
    »Wie kannst du so etwas glauben. An der nächsten Ampelkreuzung links.«
    Da ein Bus in die Haltebucht wollte, die wir blockierten, fuhr ich weiter. Danach kam es mir wirklich vor, als ob irgendeine Macht versuchte, uns von dem Hotel fernzuhalten. Ich setzte Nick von meinem Eindruck in Kenntnis, nachdem wir ungeplant eine kleine Fabrik besucht hatten und nun eine flotte Rundfahrt durch die Vororte unternahmen. Wir waren fast aus dem Stadtgebiet heraus; an einer Seite wurde die Straße von freiem Feld und kahlen Bäumen gesäumt.
    Nick grinste. »Dann sagen wir den Zauber, um den Zauber aufzuheben.«
    Natürlich fingen wir beide sofort an zu singen:

    »Wie weit ist der Weg nach Babylon?
    Zwanzig Meilen mal drei und zehn mehr.
    Ko mm ’ ich dorthin bei Kerzenschein?
    Ja, und auch wieder her.«

    Es half. Ich fühlte mich viel besser, wendete in einer Einfahrt, und wir fuhren von der anderen Seite wieder nach Wantchester hinein. In meinem Innern brodelte eine schwer zu beschreibende Mixtur aus Lachen und Elend und Ärger. Ich sagte: »Und zu allem Überfluß habe ich auch wieder diese Träume von der Dorhenhexe!«
    »Warum hast du nichts davon gesagt?« rief Nick aus. »Wir hätten zu Hause im Garten den Alle-Guten-Geister- Tanz tanzen können. Jetzt müssen wir es tun, sobald wir irgendwo einen Platz zum Anhalten finden.«
    »Meinst du?«
    »Allerdings. Und ob.« Auf eine übermütige, leicht verrückte Weise wußten wir

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