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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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Andersherum wäre der Weg also kürzer gewesen. Zu dem Zeitpunkt war ich in Gedanken noch zu sehr bei dem Mißgeschick mit den Schicksalsbahnen, als daß ich gestutzt hätte. Ich warf einfach meine Taschen auf die Ablage, stellte fest, daß es ein schöner, großer Raum war, gut ausgestattet und geschmackvoll eingerichtet für ein Hotelzimmer, suchte die legersten Kleidungsstücke heraus, die ich mitgebracht hatte, und zog mich erst einmal um. In einem Anzug war ich hier fehl am Platze. Ich war ohnehin ziemlich sicher, ich würde mich nicht wohl fühlen in dem närrischen Treiben dieses sogenannten Cons, und nachdem jetzt auch noch Maree Mallory aufgetaucht war, wünschte ich mir nichts sehnlicher, als nach Hause fahren zu können.
    Doch ich hatte hier eine Aufgabe zu erfüllen. Ich steckte meine Plakette an, um nicht für einen Einschleicher gehalten zu werden, studierte das Faltblatt mit der Aufforderung »Lies mich« unter dem Portrait eines rehäugigen Drachen und stellte fest, daß ich zur Eröffnungszeremonie in Home Universe bereits zu spät kommen würde.
    Offenbar verpaßte ich eine Störung irgendwelcher Art, die es zu Beginn gegeben hatte. Der Vorsitzende, ein Knabe namens Maxim Hough, der sein blondgelocktes Haar in der Form einer altägyptischen Perücke geschnitten trug, entschuldigte sich eben für was immer gewesen sein mochte, als ich mich in dem großen Saal auf einen freien Platz schob. Davon abgesehen war die Veranstaltung außerordentlich langweilig. Ich musterte sowohl die Leute auf dem Podium als auch das Publikum im Saal ohne große Begeisterung. Ted Mallory sah als einziger halbwegs normal aus - eine größere, gesündere Ausgabe des bedauernswerten, vom Krebs zerfressenen Mannes in dem Krankenhaus in Kent, also bestand tatsächlich ein Verwandtschaftsverhältnis, wie Stan vermutet hatte. Als zusätzliche Bestätigung sah ich die Mrs. Mallory, die mir in Bristol die Tür geöffnet hatte, aufmerksam in der ersten Reihe sitzen. Diesmal trug sie einen Pullover mit einer Applikation rosafarbener Satinrosen, die sich von der linken Schulter hinunterrankten. Ich spielte mit dem Gedanken, mich bei Gelegenheit zu ihrem Ohr zu beugen und zu flüstern, sie würde von menschenfressenden Marshmallowmäusen attackiert.
    Selbstverständlich hätte ich niemals so etwas ausgesprochen, nicht einmal gegenüber Dritten. Doch auf Cons haben die Leute erstaunlich wenig Skrupel, wie ich mit boshaften Vergnügen feststellte, als eine Am erikanerin beim Abendessen bemerkte, Mrs. Mallory habe scheinbar ein Malheur mit einer Portion Erdbeereis gehabt.
    »Nein, nein«, widersprach ihr Mann, »du hast nicht richtig hingesehen. Das sind parasitäre Seeanemonen.«
    Wir unterhielten uns bei Tisch überhaupt sehr angeregt, über alle möglichen Dinge. Als wir nach dem Essen in die Bar wechselten, wo ich Rock Corrie nun auch persönlich kennenlernte und durch ihn Maxim Hough, amüsierte ich mich wider Erwarten bestens, allerdings möglicherweise aufgrund einer unbeabsichtigten Vorspiegelung falscher Tatsachen. Maxim schien überzeugt zu sein, daß ich irgendein inkognito zu Gast weilender Prominenter war, und meine Freunde vom Abendessen vermuteten offenbar dasselbe, aber ich glaube, das spielte nicht wirklich eine Rolle. Mein beherrschendes Gefühl zu dem Zeitpunkt war Ärger über mich selbst, daß ich in meinem Einsiedlerdasein fast vergessen hatte, wie wohltuend menschliche Gesellschaft sein kann. Schon richtig, für meine Magid-Arbeit ist Ungestörtheit wichtig, aber das kann man haben, ohne sich ganz zu isolieren.
    Rick Corrie, der weggerufen worden war, kam zurück, außer Atem und anscheinend nicht sehr glücklich. »Wieder Thurless«, berichtete er.
    »Und was war es diesmal?« fragte Ma xim .
    »Ich denke, ich konnte es glattbügeln, aber es hat den Con vierzig Pfund gekostet.«
    »Schon? Wie hat er das geschafft?« verlangte Maxim zu wissen. »Der Irre ist erst seift vier Stunden hier. Das ist ein Stundensatz von zehn Pfund, Rick!«
    »Na ja, ich habe Maree Mallory Thurless’ Zimmer gegeben«, erklärte Corrie. » Ihr e dösige Tante hatte vergessen, für sie zu buchen. Als ich dazukam, sah sie aus, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. Und Thurless kam zu spät, deshalb mußte ich ihn im Station Hotel einquartieren, weil alle reservierten Zimmer hier für Verleger freigehalten werden - von denen bis jetzt übrigens noch keiner aufgetaucht ist -, und ich habe Thurless selbst hingebracht, im Taxi,

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