Eine Frage der Balance
dem Aufstehen ein wirklicher, echter, schlafwandelnder Zombie. Der extremste Fall, den ich kenne. Er findet in seine Kleider, mehr oder weniger, aber damit hört es auch schon auf. Ich frage nicht, ob er sich wäscht oder die Zähne putzt.
Als ich in sein Zimmer kam, marschierte er gegen Wände und hatte den Pullover verkehrt herum an. Vernünftig sprechen kann er in diesem Stadium auch nicht, er nuschelt. Ich zog ihm den Pullover richtig an, nahm seinen Zimmerschlüssel und führte ihn zum Lift. Als wir im Parterre ankamen, hatte er immer noch nicht die Augen geöffnet. Mein Vorteil - ich wußte nicht, wo der Frühstücksraum war, aber Nick hatte damit kein Problem. Er folgte mit geblähten Nasenflügeln dem Duft von Speck und Eiern und zog mich hinter sich her.
Ein quicker junger Kellner empfing uns am Eingang. »Zwei Personen, junge Frau?« erkundigte er sich. »Fast alles besetzt im Moment, fürchte ich. Hier entlang.« Er gab uns beiden eine Speisekarte. Nick ließ seine prompt fallen. Der Kellner stutzte. Er musterte ihn forschend, dann hob er die Karte auf und gab sie mir, dabei schaute er Nick wieder ins Gesicht, auf eine scheue, respektvolle Art, als hielte er ihn für tot und noch nicht ganz wieder auferstanden. Er führte uns an Tischen vorbei, wo die meisten der übergewichtigen Conteilnehmer bereits beim Frühstück saßen und ziemlich viele von den verhuschten, mittelalten Damen ebenfalls - man konnte letzteren anmerken, daß sie ein ganzes Leben darauf gedrillt worden waren, pünktlich ihre Mahlzeiten einzune hm en - und zu einem fast freien Tisch am Fenster. Nur ein Stuhl war besetzt.
Das darf nicht wahr sein! dachte ich.
Der Fatzke Venables saß da, las Zeitung und tr ank Kaffee. Er nahm eine Hälfte der Zeitung etwas zur Seite, als ich Nick auf einen Stuhl bugsierte, erkannte uns und hob sie vors Gesicht wie einen Schild. Von mir aus. Ich hatte genug damit zu tun, für Nick und mich Frühstück zu ordern.
»Vorweg?«
Der Kellner zückte Block und Stift.
»Gn - oger!« sagte Nick.
»Er meint, keinen Joghurt«, erklärte ich. »Zweimai Cornflakes, bitte. Und danach...«
»Gn - bo - ber - ajenjik!« verkündete Nick.
»Er will keine Bohnen, aber Eier mit Speck«, dolmetschte ich.
»Dazu vielleicht Würstchen, Tomaten oder Pilze?« erkundigte sich der Kellner zuvorkommend.
Sein Eifer verriet ihn - er wollte erleben, was passierte, wenn Nick versuchte, das auszusprechen. Und er wurde nicht enttäuscht.
»M’za, M’za, M’za«, sagte Nick.
»Pilze, keine Würstchen«, sagte ich. »Er möchte Tomaten. Pfannenbrot, Nick? Oder Toast?«
»Moasch.«
»Also Toast. Zu trinken ...«
Nick hob pendelnd den Kopf. »Waaarf-weeh!«
»Ja, wir möchten die größte Kanne Kaffee, die sie haben«, erklärte ich hastig. »Es ist dringend. Sein Gehirn ist hellwach, aber er kann erst richtig sehen oder sprechen, wenn er mindestens vier Tassen Kaffee getrunken hat.«
Der Kellner warf erneut einen respektvollen Blick auf den interessantesten Gast dieses Morgens. Nicks Augen waren immer noch geschlossen und leicht geschwollen. »Und für Sie, Miss?«
»Das gleiche.«
Er schrieb alles auf und wieselte davon. Nick jammerte: »M’ Füerse!«
»O Gott«, sagte ich und hob die Tischdecke, um zu sehen, was mit seinen Füßen los war.
»M’sensinwetsch!«
»Schon gut, Dummkopf«, sagte ich. »Du hast nur die Schuhe wieder an die falschen Füße gezogen, weiter nichts.« Ich kroch unter den Tisch - hörte ich die Zeitung rascheln? - und zog ihm die Schuhe richtig an. Als ich mich zwischen den Stühlen aufrichtete und den Saum der Tischdecke vom Kopf gestreift hatte, bemerkte ich das Aufblitzen eines goldgefaßten Brillenglases, das sich hastig hinter dem Telegraph verbarg. Der Fatzke war ebenso fasziniert wie der Kellner, wollte es aber nicht merken lassen. Ich hatte mich gerade wieder hingesetzt, als der Kellner zurückkam. Er brachte eine Kaffeekanne von der Größe eines Gasometers und schenkte uns mit einer Miene ehrerbietiger Erwartung ein. »Milch, Miss?«
»Danke«, sagte ich. »Nein, er nimmt die ersten vier Tassen schwarz.«
Der Kellner blieb am Tisch stehen, schenkte nach, wartete und beobachtete, während Nick die notwendigen vier Tassen leerte, immer noch ohne die Augen zu öffnen. Die Zeitung vor dem Gesicht des Fatzken bewegte sich me rkli ch zur Seite, so daß er die Vorgänge ebenfalls verfolgen konnte.
Der Kellner hatte offenbar die Geschichte herumerzählt. Eine Kellnerin erschien mit
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