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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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ziemlich groß, aber sie wirkt riesig, weil die Spiegel an einer Wand die großen Fenster in der Wand gegenüber reflektieren. Kinder diverser Größen und Altersstufen in Umhängen oder Batman-Kostümen laufen zwischen den Tischen und Sesseln herum, und die Erwachsenen bilden Cliquen. Als wir kamen, war der Raum ziemlich voll, weil eine ganze Ladung Neuankömmlinge sich dort breitgemacht hatte. Die meisten gaben sich schon durch ihre elegante Kleidung als VIPs zu erkennen, und sie waren umgeben von einer wichtigen Bin-bei-der-Arbeit Aura, die sie, wie einige von ihnen anscheinend dachten, um mindestens eine Klasse über uns gewöhnliches Fußvolk erhob. »Verachtet sie nicht«, meinte Wendy, als sie sich plumpsend in den Sessel neben uns fallen ließ. Nick mußte wieder den Blick abwenden. »Das sind die Verleger. Sie werden heute abend allesamt Parties sc hm eißen.«
    Also verachtete ich sie nicht und richtete statt dessen meine Aufmerksamkeit auf das Flugblatt. Nick jedoch konnte jemanden von Wendys Masse und Umfang nicht in seiner Nähe ertragen. Er sprang auf. »Ich muß los, die Spiele fangen gleich an«, sagte er. »Ich werde gegen Mittag hier nach dir suchen oder oben in deinem .Zimmer.« Eine unverschämte Lüge. Ich wußte, die Spiele fingen noch nicht an, und ich konnte sehen, wie er sich an der Tür am anderen Ende der Lobby herumdrückte - er hatte mich im Stich gelassen, wieder einmal, gerade als ich zu der Stelle kam, wo es hieß: »Wir möchten die Aufmerksamkeit aller Fans auf Ted Mallorys Nichte Maree Mallory lenken. Die Ärmste leidet an gebrochenem Herzen. Also, wenn ihr Maree begegnet, seid besonders nett zu ihr.«
    Vor Wut und Scham schossen mir die Tränen in die Augen. Mein Gesicht fühlte sich irgendwie blauglühend an. Wendy sagte etwas zu mir, aber ich wollte es nicht hören oder antworten, oder sie ansehen. Sie redete wahrscheinlich nur deshalb mit mir, weil das Flugblatt sie dazu aufforderte. Ich stieß einen gepreßten, heulenden Laut aus.
    »Ich habe gefragt«, wiederholte Wendy, »steht etwas Interessantes drin? Ich habe das Flugblatt noch nicht gelesen.«
    Sofort haßte ich mich dafür, so mimosenhaft gewesen zu sein. Ich hob den Kopf und schob die heruntergerutschte Brille vor die Augen. Und siehe da. Olala! Wunder über WUNDER! Mein Traummann vom Abend vorher durchquerte die Lobby! Er war ganz genau so fabelhaft wie ich ihn in Erinnerung hatte - besser, falls möglich. Diese herrlichen schlanken Hüften. Und dieser Gang! Aber schade, er schritt, ohne rechts und links zu schauen, vorbei an Sesseln und an Tischen voller Kaffeetassen, vorbei an den Kindern mit den flatternden Umhängen, an Leuten in Gruppen auf dem Fußboden und an elitären Verlegercliquen, und am anderen Ende hinaus, jeden Zentimeter des Wegs verfolgt von meinen Blicken.
    Ich war nicht die Einzige in seinem Bann. Eine schicke Verlegerin verzwirbelte sich korkenzieherartig die Beine, weil sie nicht die Augen von ihm lassen konnte, und wäre fast umgekippt. Neben mir sagte Wendy: »O mein Gott! Siehst du das? Siehst du den? Hast du je einen so supertollen Typ gesehen?« Als es mir gelang, den Blick von der Tür loszureißen, durch die er verschwunden war, merkte ich, daß auch sie ihm hingerissen nachschaute. Sie hatte andächtig die Hände unter den mächtigen Brüsten gefaltet, und ihr Gesicht wurde abwechselnd blaß und rot.
    »Fabelhaft«, stimmte ich zu. Meine untere Körperhälfte fühlte sich schwach an.
    Dann erblickte ich Tansy-Ann, die, ein Flugblatt schwenkend, auf mich zusteuerte. Mit einem spitzen Schrei sprang ich auf, trotz weicher Knie, und ergriff die Flucht. Leute strömten in den großen Saal, wo Onkel Teds Podiumsdiskussion stattfinden sollte; ich ging mit ihnen hinein, sank auf einen Stuhl neben der Tür und fing an, darüber nachzudenken, daß ich anscheinend wirklich langsam über Robbie hinwegkam. Er hatte nie einen vergleichbaren Sturm von Gefühlen in mir ausgelöst.
    Dann meldete sich ein Rest Vernunft, und ich erkannte, daß man Empfindungen dieser Art für Popstars hegt oder andere Leute, denen man nie zu begegnen erwartet, und ich beruhigte mich so weit, daß ich anfing, mich zu fragen, wer dieser Mann war. Und Ärger stieg in mir auf, als ich über das Flugblatt nachdachte und darüber, wer mir das angetan haben mochte. Mein erster Verdacht fiel auf Onkel Ted. Nicht, daß er mich blamieren wollte, doch es war ihm zuzutrauen, daß er gestern beim Abendessen die ein oder andere

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