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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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gönnerhafte Bemerkung über seine arme kleine Nichte fallengelassen hatte. Janine kam natürlich auch in Frage. Oder Mijnheer Kees oder Rick Corrie, die glaubten, mir einen Gefallen zu tun. Wer es auch gewesen ist, bei der ersten Gelegenheit werde ich ihm/ihr mi t Genuß die Zähne in die Wade schlagen und zubeißen.
    Nach und nach kehrte ich in die Wirklichkeit zurück und nahm wahr, was um mich herum vorging. Eine attraktive Dame im VIP-Kostüm stellte sich als Diskussionsleiterin vor - ich glaube, sie heißt Gianetti und ist Gastgeberin einer Talkshow im Fernsehen - und erzählte dem geneigten Publikum, Onkel Ted wäre der Meister des Schwarzen Humors und Frau Soundso neben ihm hätte ebenfalls etliche humorige Geschichten verfaßt und Mervin Thurless, der bei ihnen dort oben saß, sei berühmt für seinen Witz (ach ja?), und alle wollten jetzt über das Thema >Humor in der Fantasyliteratur< diskutieren. Man muß es Onkel Ted lassen - niemand wäre auf die Idee gekommen, daß er keine Ahnung gehabt hatte, über was er reden sollte. Er n ahm sich einfach das Mikr ofon und legte los. »Ein Buch schreiben ist ein Job wie jeder andere.« Nicht schon wieder diese Leier, betete ich, aber mein Flehen wurde nicht erhört. Nicht lange, und er sagte: »Sie müssen sich den Prozeß des Schreibens vorstellen, als ginge es darum, ein Fahrrad zusammenzubauen. Ich brauche einen Rahmen - also den Plot -, dann setze ich die Räder ein - die Personen und ihre Motive -, und dann baue ich die Gänge ein. Das sind die Gags. Größe und Konfiguration müssen genau stimmen, oder man tritt in die Pedale und - Hoppla! - die Kette springt ab.« Er wurde gelacht. »Deshalb plane ich meine humorigen Einschübe im voraus und bis ins kleinste Detail«, dozierte er weiter. »Das ganze Buch ist eine Maschine, genauestens konzipiert und geölt mit einem geschmeidigen Schreibstil.«
    Und so weiter und so weiter. Dann meldete Mervin Thurless sich zu Wort und sagte, ja, ganz derselben Meinung, nur wäre für ihn der Humor mehr das Salz in der Suppe. Dann bestätigte auch die Frau, Schreiben wäre ein absolut mechanischer Prozeß, aber sie fügte hinzu (als schämte sie sich, es einzugestehen), manchmal brächten ihre Einfälle sie zum Lachen.
    Darauf ergriff Onkel Ted wieder das Mikrofon und sagte, er lachte niemals: es wäre fatal.
    Und Thurless gab seinen Senf dazu, indem er monierte, es wäre ohnehin schlechter Stil, über seine eigenen Gags zu lachen.
    Mittlerweile war ich echt deprimiert. Ich dachte an Onkel Teds magische Fenster und kam zu der Erkenntnis, daß er wirklich und wahrhaftig niemals hindurchgeschaut hatte. Dieser zweite Schock nach der taktvollen Aufforderung im Flugblatt, doch nett zu der armen Maree mit dem gebrochenen Herzen zu sein, war zu viel für mich. Machte denn niemand sich die Mühe, einmal richtig hinzusehen und zu erkennen, daß man nicht alles und jedes danach beurteilen muß, ob es funktioniert oder die gewünschte Wirkung erzielt?
    Um der Diskussionsleiterin Gerechtigkeit widerfahren zu lassen - sie wirkte ebenfalls ein wenig frustriert. Endlich sagte sie: »Aber wo bleibt dieses spezielle Element, das Wunder der Phantasie? Kommt niemals der Augenblick, wenn das Schreiben mehr wird als Malen nach Zahlen? Wird keiner von Ihnen je von einem lustigen Einfall überrascht und begeistert? Lassen Sie es mich aussprechen: Was ist mit Inspiration?«
    Onkel Ted schüttelte entschieden den Kopf. »Nein. Wenn beim Schreiben etwas Brauchbares herauskommen soll, muß alles strikt im Rahmen bleiben. Man darf sich nicht gehenlassen, oder die Geschichte gerät außer Kontrolle, und das Produkt verkauft sich möglicherweise nicht.«
    »Ich möchte noch weitergehen«, warf Mervin Thurless ein. »Wenn es eine Inspiration gibt, ist es Geld.«
    »Exakt«, sagt Onkel Ted, natürlich. »Man wird dafür bezahlt, daß man die richtige Formel kennt, das Rezept.«
    Ich stand auf und ging, und es war mir egal, ob die Tür hinter mir zuknallte.
    Mir reichte es endgültig. Fahrräder. Formeln und REZEPTE. Bah!!
    Während ich im Flur stand, Blitz und Donner im Gemüt, klickte leise die Tür, der Fatzke kam heraus und schloß sie behutsam hinter sich. Er sah zu meiner Überraschung genau so aus, wie mir zumute war.
    »Geld!« sagte ich zu ihm. »Fahrräder!«
    Er nickte. »Ja, ich weiß. »Welchen Preis hat Phantasie, ganz zu schweigen von Integrität? Und um Gottes willen, schieb nicht dauernd so energisch die Brille hoch, sonst bekomme ich das

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