Eine Frage der Balance
seine Jeans.
»Sie sind äußerst intelligent«, bemerkte Will, »und widerspenstig wie der Teufel. Sie machen sich ihren Spaß mit dir, Nick. Tu so, als wärst du begeistert von ihnen, dann lassen sie dich in Ruhe.«
Ich war begeistert von diesen Tieren, deshalb ignorierten sie mich natürlich. Sie sahen ganz aus wie Schafe, bis auf die dämonischen Ziegenaugen. Will erzählte, sie würden wegen der Milch und der Wolle gehalten. Wir fingen eine und fuhren mit den Händen durch das seidige, lockige Fell, aus dem sich, sagte er, die schönsten Pullover stricken ließen. Herrlich. Ich fühlte mich gelöst und leicht wie seit Jahren nicht mehr und wußte plötzlich wieder, weshalb ich mich entschlossen hatte, Tierärztin zu werden. Auch die Luft an diesem Ort hatte etwas damit zu tun. Sie war einfach himmlisch - trotz des Geruchs nach Ziege - frisch, lind und prickelnd. Von all den Stunden im Hotel hatte ich Kopfschmerzen bekommen, die mir gar nicht zu Bewußtsein gekommen waren, bis sie von dieser Luft vertrieben wurden. Fast sah es aus, als hätte sie eine ähnlich wohltuende Wirkung auf Nick, aber vielleicht war es eher das schrille Jauchzen und Stimmengewirr irgendwo am anderen Ende des Hains, wo Rupert von sechs ausgelassenen Gören gepiesackt wurde - zu Nicks Freude und auch zu meiner.
Wie auch immer, als wir in den Gemüsegarten weitergingen, wo sich hinter Draht an die hundert Kaninchen tummelten, erzählte ich Will, daß ich Tiermedizin studierte, und er gestand mir, er hätte auch einmal erwogen, Veterinär zu werden. Er sagte, sie lebten hier größtenteils von dem Ertrag ihres Bauernhofs. Dann erzählten Nick und ich ihm von dem Alptraum, durch den wir Rupert hierher gefolgt waren.
»Ihr habt auch ziemlich verwirrt ausgesehen. Der Transit von Welt zu Welt kann einen ziemlich mitnehmen, selbst wenn man weiß, was man tut. Und Rupert konnte euch nicht rufen hören - oder euch sehen, es sei denn, er hätte bewußt nach euch Ausschau gehalten. Er war die ganze Zeit ein Universum vor euch.«
»Soll das heißen«, fragte Nick herausfordernd, »es gibt tatsächlich andere Welten?«
»Ungezählte«, bestätigte Will heiter. »Das hier mag aussehen wie England, aber Irrtum. Das Land heißt Albion und befindet sich auf der Welt - nun, sie nennen sie einfach Die Welt, die Menschen, die hier leben, aber wir Magids nennen sie Thule.«
»Was«, fragte ich, »sind Magids?«
»Hat Rupert nicht mit euch darüber gesprochen?« Will öffnete das Gatter zu einer am Hang gelegenen Koppel. »Ich bin überrascht. Oder vielleicht auch nicht. Die Erde liegt so weit Minderwärts, daß man sich vorsehen muß, was man wem erzählt. Diejenigen, die einem nicht glauben, wollen einen einsperren, und diejenigen, die glauben, versuchen, einen finanziell auszubeuten. Trotzdem hätte ich angenommen, daß er euch gegenüber nicht ganz so zugeknöpft gewesen ist. Aber mein lieber Bruder kann sehr pedantisch sein.«
Eine Eselsfamilie und mehrere Pferde teilten sich die Koppel.
Der Rest der Unterhaltung fand statt, während wir zwischen großen grauen und braunen Leibern umhergingen, an langen Ohren zogen, Hälse klopften oder große weiche Schnobernasen streichelten und von Zeit zu Zeit Petra trösteten, die glaubte, sie sei um vieles interessanter als so ein alter Gaul. Für Nick waren die Pferde zu groß und die Esel zu unberechenbar, er begnügte sich damit, Petra zu streicheln.
»Also gut, sprechen wir über Magids«, sagte Will. »Ich bin ein Magid. Rupert ist ein Magid und unser Bruder Simon ebenfalls. Übrigens ist es ziemlich ungewöhnlich, drei Begabungen in einer Familie zu haben, aber wir besaßen alle die geforderten Fähigkeiten, und Stan, unser Mentor, sagte, er wäre nicht gewillt, sich darüber Gedanken zu machen, als seinerzeit gleich drei Vakanzen zu besetzen waren. Die Anzahl von Magids wird immer konstant gehalten, müßt ihr wissen.«
»Und wie viele sind es?« wollte Nick wissen.
»Gute Frage.« Will grub in den Taschen seines alten grünen Kittels nach Zucker. »Früher glaubte man, sechsunddreißig oder achtunddreißig, aber das war, bevor sich bestätigte, daß die Zahl der Welten unendlich ist. Wir denken, es könnte ebenso viel Magids geben wie es Welten gibt. Aber ich kenne nur um die vierzig. Rupert kennt vielleicht nicht genau dieselben Vierzig. Die Vierzig, die Simon kennt, sind vielleicht ganz andere, weil er nämlich seine Zelte auf einer weit von hier entfernten Welt aufgeschlagen hat.«
»Also
Weitere Kostenlose Bücher