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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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dem verblüfften Trio, platzten durch die Tür und standen auf einem Podest der Lieferantentreppe. Nick schien keinerlei Zweifel bezüglich der Richtung zu haben und stürmte die Treppe hinauf; ich folgte ihm keuchend und dachte, selbst wenn Rupert diesen Weg genommen hatte, war er jetzt längst sonstwo. Oben befand sich eine Feuertür mit der Aufschrift 2. Etage. Nick öffnete sie, schaute hindurch und winkte mich aufgeregt heran.
    Ich sah einen langen Korridor mit den üblichen Spiegeln an den Ecken und Rupert Venables, der am Ende gerade nach links abbog. Wir nahmen die Verfolgung auf. Inzwischen war ich fast ebenso frustriert wie Nick. Ich hatte einen ganzen Nachmittag vergeudet und war entschlossen, ihn einzuholen. Wir sprinteten um die Ecke, ich dicht hinter Nick, und den Flur entlang, in dem Rupert verschwunden war.
    Erst nach etlichen Metern zwischen verspiegelten Wänden - das Glas dieser Spiegel war trüb und dunkel, wie die Reflexion von Reflexionen - wurde mir bewußt, daß ich mich an diesen Korridor anders erinnerte. Da war keine Kreuzung gewesen, die gab es nicht an dieser Seite des Gebäudes. Und man konnte immer nur nach rechts gehen. Wer sich nach links wenden wollte, stand vor einer Mauer. Also wie ...?
    Eine Sekunde später merkte Nick es ebenfalls. »Wo sind wir?«
    »In der Tinte«, antwortete ich. »Lauf. Wir müssen unbedingt an ihm dranbleiben.«
    Rupert Venables befand sich immer noch ein Stück vor uns und ging ruhig weiter. Ich war überzeugt, wenn wir ihn aus den Augen verloren, waren wir auch verloren. Wenn ich mich umschaute - und das tat ich, mindestens sechsmal und in wachsender Panik -, dann war da hinter uns, nun ja, nicht das Hotel. Gestaltlose Fremdartigkeit. Nick riskierte ebenfalls einen Blick, dann packte er mein
    Handgelenk, und wir rannten. Auch das war rätselhaft und beunruhigend: Rupert Venables marschierte ohne Eile vor uns her, mit schwingenden Armen und zielstrebig, als wüßte er, wohin er ging, aber nicht besonders schnell. Wir beide bemühten uns nach Leibeskräften, ihn einzuholen, aber die Entfernung blieb imm er gleich.
    Ich wollte schreiben: »Es war schwer, nicht in Panik zu geraten«, aber Tatsache ist, wie gerieten in Panik. Laufen und laufen und nicht von der Stelle kommen - das erlebt man in Alpträumen. Und wenig später war es genau wie in meinen Alpträumen, weil ich dort, seitlich vor mir, den Strauch sah mit meiner dornigen Freundin darin oder als Teil davon oder was weiß ich. Sie rief mir zu, hämisch: »Was für einen Unfug treibst du jetzt schon wieder?«
    »Halt die Klappe!« empfahl ich ihr.
    Ich glaube nicht, daß Nick sie hörte oder ihre Anwesenheit bemerkte. Er trampelte durch eine Hälfte ihres Strauchs und schrie mit vor Angst Achterbahn fahrender Stimme: »Rupert! Venables!« Die Zweige und Ruten des Strauchs wippten und peitschten durch die Luft, Mann, sie war wütend! Aber ich ko nnt e nicht darauf achten, weil Nick an meiner Hand zerrte, und Rupert Venables marschierte einfach weiter, o hn e unser Rufen zu hören.
    Wir befanden uns jetzt - hatte es den Anschein - draußen unter freiem Himmel, auf einem in Stufen steil abwärts führenden Berghang. Doch es gab ganz schreckliche Stellen, wo alles unfest war: auf den Absätzen bewegte sich der Boden wie unterirdisch mahlender Treibsand, gleichzeitig schlug auch der Hang über uns Wellen, und wir mußten uns darunter ducken und über die trügerischen Stellen hinwegspringen wie von Grasbüschel zu Grasbüschel in einem gefährlichen Moor. Die Erleichterung, wieder auf grasbewachsenen Hang zu gelangen, wäre unbeschreiblich gewesen, nur daß wir Rupert einfach nicht näherkamen und rufend, uns duckend und springend versuchen mußten, ihm auf den
    Fersen zu bleiben. Über den grasigen Flächen wandelte sich der Himmel von wolkenverhangen zu blau, zu fast dunkel, zu Abendrot und wieder zu blau mit weißen Wolken. Mir wurde schwindelig davon.
    Der Alptraum mündete in einen wunderschönen Frühlingsnachmittag. Rupert sprang von einer heckengesäumten Böschung auf einen Feldweg und ging zu einem verwitterten weißen Gatter in der Hecke auf der anderen Seite.
    »Halt! Warte!« japste Nick.
    »Hilfe!« japste ich.
    Die Hand auf dem Gatterriegel, fuhr er herum und starrte uns an. Ich hatte nie einen solchen Ausdruck des Zorns auf seinem Gesicht gesehen, nicht einmal, als er unseren Gute-Geister-Tanz unterbrach. »Wie zur Hölle kommt ihr zwei hierher?« fragte er.
    Seine Stimme hatte den kalten

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