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Eine Frage der Schuld - Mit der Kurzen Autobiographie der Graefin S A Tolstaja

Titel: Eine Frage der Schuld - Mit der Kurzen Autobiographie der Graefin S A Tolstaja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja Ursula Keller Alfred Frank Ursula Keller
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doch, und ich wartete mit Ungeduld darauf, daß mein Mann seine literarische Tätigkeit wieder aufnahm.
    Die Umstände, unter denen«Anna Karenina»geschrieben wurde, waren sehr viel schwieriger als jene, unter welchen«Krieg und Frieden»entstanden war. Damals lebten wir in ungetrübtem Glück, nun aber starben nacheinander drei Kinder und zwei Tanten. 25 Auch ich erkrankte, nahm stark ab, hustete Blut und litt unter Rükkenschmerzen. Lew Nikolajewitsch war beunruhigt und ließ mich auf der Durchreise in Moskau von Professor Sacharin untersuchen, der feststellte:«Bis jetzt ist es keine Schwindsucht, doch kann sie sich entwickeln. Ihre Nerven sind sehr angegriffen», und vorwurfsvoll setzte er hinzu:«Sie haben sie wohl nicht eben geschont.»Er untersagte mir das Unterrichten der Kinder und das Abschreiben und verordnete eine Schweigekur. Ich gesundete nur sehr langsam, vor allem weil wir den Sommer in der Steppe im Gouvernement Samara in sehr unwirtlichen Verhältnissen bei einer Kumys-Kur verbrachten, die mir gar nicht zuträglich war. 26 Mißmutig und krank schrieb ich an meine Schwester:«Ljowotschkas
Roman wird gedruckt, und es heißt, er habe furchtbaren Erfolg. In mir aber steigt ein seltsames Gefühl auf: Bei uns herrscht eine solche Trauer, und doch werden wir überall gefeiert.»
    Nach«Anna Karenina»schrieb Lew Nikolajewitsch, da er die Volksliteratur zu reinigen und sie um moralisch und künstlerisch wertvolle Werke zu bereichern suchte, einige Erzählungen und Legenden, die mich überaus begeisterten und deren Ziel und Bestimmung ich absolut unterstützte.
    Ich erinnere mich, daß ich in der Universität bei einer Lesung dieser Legenden zugegen war, worüber ich Lew Nikolajewitsch nach Jasnaja Poljana schrieb:«Die Legenden hatten riesigen Erfolg. Professor Storoshenko las sie hervorragend. Im Publikum waren vor allem Studenten. Der Eindruck der Erzählungen war, daß ihr Stil bemerkenswert streng und dicht sei, ohne überflüssige Worte, alles passend, treffsicher, stimmig wie ein Akkord. Viel Inhalt, wenig Worte und eben darum überzeugend bis zum Schluß.»
    Ich gedenke dieser Werke als jener, die in den glücklichsten Jahren unseres Lebens erschaffen wurden.

IV
    Zu Beginn unseres Ehelebens hatten wir nur wenige Gäste. Ich erinnere mich an den Besuch des Grafen Wladimir Alexandrowitsch Sollogub 27 mit seinen beiden Söhnen. Klug und liebenswürdig, wie er war, gefiel er uns allen sehr. Mich nahm er besonders dadurch für sich ein, daß er zu Lew Nikolajewitsch über mich sagte:«Sie Glücklicher, was haben Sie für eine Frau!»An mich wandte er sich mit den Worten:«Sie sind die wahre Amme des Talents ihres Mannes, widmen Sie auch weiterhin Ihr Leben diesem Ziel.»Den freundschaftlichen und weisen Rat des Grafen Sollogub vergaß ich mein Leben lang nicht und bemühte mich nach Kräften, ihn zu befolgen.
    Recht häufig besuchte uns Afanassi Afanassjewitsch Fet 28 , den Lew Nikolajewitsch sehr mochte, und auch Fet war uns beiden zugetan. Wenn er, häufig auch in Begleitung seiner bezaubernden Frau, auf dem Weg nach und von Moskau unser Gast war, erfüllte er unser Haus mit seiner lauten, anregenden, oft spitzzüngigen und bisweilen schmeichlerischen Art zu reden.
    Im Jahr 1863 war er im Frühsommer in Jasnaja Poljana. In jener Zeit beschäftigte sich Lew Nikolajewitsch voller Begeisterung mit der Bienenzucht
und verbrachte ganze Tage bei den Bienenstöcken. Manchmal trug ich ihm sein Frühstück dorthin. Eines Abends beschlossen wir, den Tee im Bienengarten einzunehmen. Überall im Gras leuchteten die Glühwürmchen. Lew Nikolajewitsch nahm zwei von ihnen, hielt sie mir an die Ohren und sagte:«Ich habe dir Smaragdohrringe versprochen. Welche könnten schöner sein als diese?»
    Als Fet abreiste, übergab er mir einen Brief mit einem Gedicht, das mit den Versen endet:
    «Deine Hand in der meinen,
Wie wunderbar!
Zwei Leuchtkäfer auf der Erde,
Ein Smaragdenpaar.»
    Nach fast jedem Besuch sandte mir Afanassi Fet ein neues Gedicht, von denen er mir viele widmete. Eines freute mich besonders durch seine - vielleicht unverdiente - Beschreibung meiner inneren Eigenschaften in folgendem Vierzeiler:
    «Erfüllt von deinem Liebreiz,
Hier in der Einsamkeit,
Verstand ich, du strahlendes Wesen,
deiner Seele ganze Reinheit.»
    Als wir nach Moskau übersiedelten, kaufte Fet ein Haus in der Nähe des unsrigen. Er besuchte uns häufig und sagte, in Moskau brauche er nichts außer einem Samowar. Wir amüsierten uns

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