Eine Frage der Schuld - Mit der Kurzen Autobiographie der Graefin S A Tolstaja
über diesen ungewöhnlichen Wunsch Fets, doch er erklärte ihn so:«Ich muß wissen, daß an den Abenden irgendwo der Samowar brodelt und eine liebenswürdige Hausherrin am Tisch sitzt, mit der ich einen angenehmen Abend verbringen kann.»
Unter den interessanten Gästen in Jasnaja Poljana war Turgenjew, der uns zweimal besuchte. Zum erstenmal im Jahr 1878 und noch einmal, um Lew Nikolajewitsch zur Enthüllung eines Puschkin-Denkmals einzuladen. Er war heiter, zartfühlend und erfreute sich an unserem glücklichen Familienleben. Einmal sagte er zu Lew Nikolajewitsch:«Wie gut haben Sie daran getan, diese Frau zu heiraten.»
Dankbar bin ich allen lieben, dahingegangenen, wahren Freunden für ihr stets gütiges und lauteres Verhalten mir gegenüber. Viele von ihnen waren mehr als zwanzig Jahre älter als ich und begegneten mir, der damals noch jungen Frau, voller Nachsicht.
Häufiger Gast, der oft lange bei uns blieb, war Nikolai Nikolajewitsch Strachow, ein von uns
allen geliebter und geschätzter Freund, der beseelt von unserem Eheleben war und liebevoll mit den Kindern umging. Er sagte oft:«Ich will unbedingt einmal über Jasnaja Poljana und das Leben hier schreiben», doch hat er diesen Plan nicht mehr verwirklicht.
Viele unterschiedliche Gäste empfingen wir in Jasnaja Poljana und in Moskau. Unter ihnen waren Ausländer und bekannte Künstler: Ilja Repin, Nikolai Ge, Valentin Serow, Ilja Ginsburg, Pawel Trubezkoi und Naum Aronson, 29 die Lew Nikolajewitsch und mich malten und modellierten. Meine Porträts hatten merkwürdigerweise nie Ähnlichkeit mit mir.
Viel könnte ich über jene glückliche Epoche meines Lebens berichten, in der alles so heiter, anregend und inhaltsreich war. Ich bedaure, daß ich damals über die interessanten Gespräche unserer Gäste und Lew Nikolajewitschs nur wenig Notizen gemacht habe. Heute, da ich viel Schweres durchlebt habe und das einstige Glück mit Kummer und Leid bezahlen mußte, die mir von schwierigen Umständen und schlechten Menschen zugefügt wurden, erinnere ich mich nur noch an weniges.
V
Als die Kinder kamen, konnte ich mich den Pflichten meinem Mann gegenüber und der steten Anteilnahme an seiner Arbeit nicht mehr voll widmen. Wir hatten viele Kinder, dreizehn wurden lebend geboren, deren zehn ich selbst stillte, da ich aus innerer Überzeugung grundsätzlich keine Amme zu nehmen wünschte. 30 Dreimal mußte aufgrund schwieriger Umstände von diesem Grundsatz abgewichen werden.
Die Kinder wuchsen heran, und wir erzogen sie auf der Grundlage unserer gemeinsamen Überzeugungen. Die Hauslehrer und Gouvernanten wählte Lew Nikolajewitsch stets selbst aus und stellte sie ein. Viele Fächer unterrichteten auch wir Eltern. Der Vater wollte seinen Kindern eine absolut hervorragende Bildung vermitteln, den Knaben ausschließlich eine klassische. Er brachte sich selbst mühsam das Griechische bei, um den ältesten Sohn Serjosha zu unterrichten, dessen Studium an der Universität er für unabdingbar hielt.«Zu dieser Zeit wird auch Tanja alt genug sein und in die Gesellschaft eingeführt werden müssen», sagte er damals. Mir selbst fiel es zu, die Kinder in jenen Fächern zu unterrichten, für die zunächst keine Hauslehrer
vorhanden waren, als da wären: Französisch und Deutsch, Musik, Zeichnen, russische Literatur und sogar Tanz. Das Englische beherrschte ich nur schlecht. Im ersten Jahr unserer Ehe begann Lew Nikolajewitsch, der es selbst nicht allzu gut sprach, mich darin zu unterrichten, das erste Buch, das wir gemeinsam auf Englisch lasen, war« The Woman in White »von Wilkie Collins 31 . Später lernte ich diese Sprache mühelos von den Engländerinnen, die wir für unsere Kinder einstellten.
Unsere Pläne für die Erziehung unserer älteren Kinder setzten wir im Jahr 1881 in die Tat um, indem wir in Moskau unser Winterquartier bezogen. Unser ältester Sohn Sergej nahm sein Studium an der Universität auf, die anderen beiden Söhne meldete Lew Nikolajewitsch im humanistischen Gymnasium L. N. Poliwanows an. Unsere Tochter Tanja ließ er die Lehranstalt für Malerei, Bildhauerei und Architektur besuchen und begleitete sie auf ihren ersten Ball, einen Kostümball bei den Olsufjews, da ich, in Erwartung des achten Kindes, Aljoscha, das am 31. Oktober geboren wurde, nicht in Gesellschaften ging.
Die Übersiedlung nach Moskau und das Stadtleben erwiesen sich entgegen allen Erwartungen
für uns beide als schwieriger, als wir hatten annehmen können. Lew
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