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Eine Frage der Schuld - Mit der Kurzen Autobiographie der Graefin S A Tolstaja

Titel: Eine Frage der Schuld - Mit der Kurzen Autobiographie der Graefin S A Tolstaja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja Ursula Keller Alfred Frank Ursula Keller
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Bahnstation im Gouvernement Tambow, Kreis Lipezk, ca. 400 Kilometer südöstlich von Moskau gelegen und ca. 150 Kilometer von Jasnaja Poljana entfernt.
    69 Früheres russ. Feldmaß. 1 Dessjatine entspricht 1,093 Hektar.

    70 Die Stadt Moskau erwarb das Haus der Familie Tolstoi im November 1912. Heute befindet sich dort das Staatliche Tolstoi-Museum.
    71 Sofja Tolstaja starb am 4. November 1919.

NACHWORT
    Als Ende der 1880er Jahre erste Abschriften von Lew Tolstois Die Kreutzersonate in Rußland in Umlauf kamen, war die literarische Welt wie durch ein Erdbeben erschüttert.«Man kann sich nur schwer einen Begriff davon machen, wie es war», berichtet Tolstois Vertraute Alexandra Andrejewna Tolstaja in ihren Erinnerungen.«Noch bevor Die Kreutzersonate zum Druck zugelassen war, wurden Hunderte, ja Tausende von Abschriften angefertigt, die von Hand zu Hand gingen, sie wurde in alle Sprachen übersetzt und mit einer unglaublichen Leidenschaft gelesen. Man hätte zuweilen glauben können, das Publikum habe seine eigenen Sorgen gänzlich vergessen und lebe nur noch in und mit der Literatur des Grafen Tolstoi... Wichtige politische Ereignisse haben die Gemüter nur selten so zu erregen vermocht. »
    Die Kreutzersonate handelt, so ihr Autor selbst, von der«körperlichen Liebe, den geschlechtlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten».
Am Beispiel der Ehe seines Protagonisten Posdnyschew, die mit dessen Mord an seiner vermeintlich ihm untreuen Frau endet, legt Tolstoi seine Kritik an der gesellschaftlichen Auffassung von Liebe und Ehe dar.«Was ist denn das für eine Liebe... Liebe... die die Ehe heiligt?»Diese stockend vorgetragene Frage ist der Auftakt für Posdnyschews Monolog über seine Ehe, die von Beginn an von Mißverständnissen und Zwistigkeiten geprägt war. In seiner Lebensbeichte während einer nächtlichen Zugfahrt negiert er alle gemeinhin geltenden Ansichten über die romantische Liebe. Eine Liebe, die auf der«Übereinstimmung der Ideale, auf geistiger Verwandtschaft»beruhe, existiere nicht, so Posdnyschew, alle Aspekte der Liebe seien bloßer Ausdruck einer unheilbringenden Sexualität, die geradezu zwangsläufig zu Ehebruch oder Gewalttat führen müsse. Erst nachdem er seine Frau ermordet hat, erkennt Posdnyschew ihre Existenz als menschliches Wesen. Die Schlußfolgerung, die Tolstoi seinen Protagonisten ziehen läßt, ist allerdings nicht, daß er sie nicht hätte ermorden, sondern daß er sie nie hätte heiraten dürfen.«Es gibt keine Liebe, es gibt nur das körperliche Verlangen und das vernünftige Bedürfnis nach einem Lebenspartner», hatte Tolstoi bereits als
Junggeselle in seinem Tagebuch konstatiert. In seiner Kreutzersonate erhebt er diese pessimistische Einsicht zum Manifest.«Eine christliche Ehe gibt es nicht und hat es nie gegeben», behauptet er in seinem Nachwort.
    Der Skandal um Tolstois Erzählung gründete nicht allein in ihrem Sujet, sondern darin, daß die individuelle Geschichte des Protagonisten verallgemeinert wird. Posdnyschews unglückliche Ehe wird als exemplarisch dargestellt. Die Erzählung stellte die verbreiteten Auffassungen von Liebe und Ehe sowie die gesellschaftlichen Konventionen radikal in Frage und wurde als moralischsozialkritisches Pamphlet über das Zusammenleben der Geschlechter aufgefaßt. Auch in seinen im didaktischen Nachwort zur Kreutzersonate postulierten Thesen, die als«Erläuterung des Themas der Erzählung Die Kreutzersonate »zu verstehen seien, formulierte Tolstoi seine grundsätzliche Ablehnung aller gesellschaftlichen Übereinkünfte seiner Zeit bezüglich Liebe und der Institution der Ehe. Er entwarf ein Ideal der Beziehungen zwischen Frau und Mann, das«Enthaltsamkeit, die schon lange im ledigen Stande eine unerläßliche Bedingung der menschlichen Würde ist, in noch höherem Maße im Ehestand»zur Pflicht erhebt.

    Bereits in seinen früheren Werken hatte Tolstoi die Themen Liebe, Ehe und Familie immer wieder aufgegriffen und das Ideal einer selbstlosen Liebe entworfen, in der die Frau ihre einzig mögliche Erfüllung in der Fürsorge für Ehemann und Kinder findet. Die Entwicklung der Natascha Rostowa im Roman Krieg und Frieden (1868/1869) von der bezaubernden Mädchengestalt zur glücklich verheirateten Ehefrau und Mutter von vier Kindern, die all ihre Talente und Vorzüge nach der Hochzeit preisgibt und vollkommen in ihrer neuen Rolle aufgeht, ist programmatisch für Tolstois damalige Auffassung von Familienglück und der Rolle der Frau.

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