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Eine Frage der Schuld - Mit der Kurzen Autobiographie der Graefin S A Tolstaja

Titel: Eine Frage der Schuld - Mit der Kurzen Autobiographie der Graefin S A Tolstaja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja Ursula Keller Alfred Frank Ursula Keller
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Bauern auf die Frage nach der Heiligen Dreifaltigkeit gaben, und daher wollte sie wissen:«Mädchen, wer gehört zur Heiligen Dreifaltigkeit?»
    «Der Herrgott, die Gottesmutter und Nikolaus der Wundertäter», beeilte sich Ljubascha zu antworten.
    «Was die so erzählt», unterbrach sie die stille, ernsthafte Marfa.«Die Heilige Dreifaltigkeit, das sind Gott Vater, Gott Sohn und die Muttergottes. »
    «Und der Heilige Geist», korrigierte Natascha streng.
    «Habt ihr das Evangelienbuch gelesen?»fragte Anna.
    «In der Kirche haben wir daraus gehört. Und Natalja Alexandrowna hat uns in der Karwoche die Leidensgeschichte von Christus vorgelesen.»
    «Ich werde euch jetzt etwas über Christi Lehre vorlesen.»
    Anna suchte ihre Lieblingsstellen heraus und begann die Seligpreisungen und die Bergpredigt vorzulesen. Dank der ihr angeborenen Feinfühligkeit verlieh sie mit ihrer klangvollen, klaren Stimme dem besonderen Ausdruck, was die Herzen der Menschen am meisten anrührt. Wenn
sie mit einem Kapitel fertig war, gab sie dazu Erklärungen. Alle Mädchen umringten sie, einige hatten Mühe, sie zu verstehen, Annas religiöse Beseligung jedoch hatte sich ihren naiven Zuhörerinnen mitgeteilt.
    «Noch mehr, noch mehr», baten sie.
    Da las Anna ihnen die Stellen mit der Verleugnung des Petrus, dem Gebet im Garten Gethsemane und dem Verrat des Judas vor. Sie hatte Bilder mitgebracht, die sie ihnen, selbst ganz aufgeregt, erläuterte. Mehrere der Mädchen weinten. Die nachdenkliche Marfa griff sachte nach Annas Hand und hielt sie in der ihrigen; die temperamentvolle, leidenschaftliche Ljubascha umschlang mit ihrem Arm Annas schlanken Hals und küßte sie laut auf die Lippen.
    In dem Moment wurde von der Vortreppe des großen Hauses her das Heranrollen einer Kutsche hörbar. Anna sprang auf, und Freude leuchtete in ihrem Gesicht.
    «Das ist der Fürst», sagte Natascha.«Nun geh schon, du hast uns nur gestört. Ich dachte, er kommt nicht mehr. Was ist denn mit dir?»fragte sie, als sie die Erregung ihrer Schwester bemerkte.
    « Je crains d’aimer le prince », 4 sagte Anna rasch, faßte sich an die Brust, als wolle sie dem Pochen
ihres Herzens Einhalt gebieten, und rannte aus dem Zimmer.
    Erhitzt und leichtfüßig eilte sie in den geräumigen Vorraum, wo der Fürst gerade seinen Mantel ablegte; als er sie anblickte, war er frappiert von der Schönheit dieses entflammten Mädchens, dem die eben durchlebte seelische Bewegung noch ins Gesicht geschrieben stand, von den glühenden schwarzen Augen, die ihn fröhlich und zärtlich ansahen, und zum erstenmal fühlte er, daß sie sich freute, ihn hier zu sehen, daß Liebe auch von ihrer Seite möglich war. Doch zugleich fühlte er unwillkürlich, daß dieses wunderschöne Wesen, das er in letzter Zeit so gut und allseitig kennengelernt hatte, mit solchen poetischen, reinen Ansprüchen an das Leben, mit so ausgeprägter Religiosität und solch hehren Idealen an seiner egoistischen, fleischlichen Liebe, an seiner morbiden Existenz zerbrechen würde.
    «Egal, anders geht es nicht, mag es denn so sein», flüsterte ihm jene Stimme ein, die in den Menschen sich zu melden stets bereit ist, die ausschließlich an sich selbst denken und denen allein ihr Glück und ihre Lust etwas gelten.«Mein ist sie, mein...», frohlockte der Fürst innerlich, als er Annas Hand küßte.

    An diesem Abend mußte geschehen, was er sich so sehr wünschte. Das spürte nicht nur er selbst, dieses Gefühl erwachte auch in Anna. Es herrschte eine beklemmende Spannung; das, was in letzter Zeit alle belastet hatte, harrte der Lösung.
    Nachdem man im Speisezimmer Tee getrunken hatte, gingen alle auseinander. Mischa legte sich zeitig schlafen, Natascha machte sich ans Korrigieren der Hefte ihrer Schülerinnen, Olga Pawlowna saß am gewohnten Platz auf dem Diwan in der Wohnzimmerecke, legte eine Patience und strickte an einer der zahllosen Dekken, die für diverse Verwandte und Freunde bestimmt waren.
    Der Fürst bat Anna, etwas zu spielen, und folgte ihr in den Salon.
    «Ich mag nicht spielen», sagte sie,«ich bin heute sehr müde.»
    «Trotzdem, irgend etwas, bitte.»Er war heftig erregt und wollte Zeit gewinnen.«Die ‹ Préludes › von Chopin vielleicht, die spielen Sie so gut. Besser als Chopin hat es niemand vermocht, die subtilsten menschlichen Empfindungen in der Musik zum Klingen zu bringen.»
    Anna begann fast mechanisch zu spielen. Die Erregung des Fürsten übertrug sich auf sie. Er
lehnte an der Wand

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