Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Frage der Zeit

Eine Frage der Zeit

Titel: Eine Frage der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
Vom Netzwerk:
Schrittes zu ihm hinüber und sagte: «Sasa unahitaji kuoa mke, Mzungu.»
    Dann nahm sie ihn sachlich barmherzig am Arm und führte ihn über den Trampelpfad zu seinem Haus.
     

 
    11
    Ein Säbel am Gürtel
     
     
     
    Es vergingen Wochen und Monate, der erste Kriegswinter kam. Die Spicers wohnten noch immer in ihrer kleinen Pension beim Russell Square. Sein Gehalt wurde, da er das Kommando über die Flottille verloren hatte, um zwanzig Prozent gekürzt. Damit sie weiter über die Runden kamen, musste Amy sich Arbeit suchen. Sie fand eine Anstellung in einer Munitionsfabrik. Von da an ging sie zwei Stunden vor ihm aus dem Haus und kam eine Stunde später heim. Um Heizkohle zu sparen, gingen sie abends und an den Wochenenden oft ins Kino. Manchmal blieben sie nach dem Ende sitzen und schauten sich die Vorstellung ein zweites und ein drittes Mal an. Spicer liebte französische Historienfilme mit Sarah Bernhardt, Amy bevorzugte amerikanische Cowboyfilme, deren Landschaften sie oft ans heimatliche British Columbia erinnerten. Die Wochenschauen berichteten über die Schlacht an der Marne, die Winterschlacht in der Champagne und das Bombardement von Ypern. Mal ließen in der mechanisierten Schlächterei zweihunderttausend junge Männer ihr Leben, dann achtzigtausend, dann dreihunderttausend. In London wurden Lederschuhe und Zucker knapp. Die Preise für Rindfleisch und Geflügel stiegen ins Unermessliche. Die Spicers aßen viel Kohlsuppe. Weihnachten feierten sie allein in ihrem Zimmer, Silvester mit den Hanschells am Piccadilly Circus.
    Aber dann kam jener 23. April des Jahres 1915, der endlich die entscheidende Wende in Oberleutnant Spicer Simsons Leben herbeiführen sollte. Er ahnte davon nichts, als er morgens kurz vor neun Uhr wie gewohnt über die regennassen Gehsteige nach Whitehall lief; er ahnte auch noch nichts, als er im Büro das Kaminfeuer entfachte und pünktlich mit dem letzten Glockenschlag Major Thompson zum Dienst erschien. Kurz nach halb zehn Uhr aber geschah etwas, was in Spicers fünfmonatigem Sklavendasein noch nie geschehen war: Die Tür ging auf, und ein hohes Tier der Admiralität trat ein. Spicer war sofort hellwach. Er kannte das hohe Tier. Das hohe Tier stand im Admiralsrang und war Sir David Gamble. Höher als der Admiral standen nur Gott, der König und der First Sea Lord, das oberste Oberhaupt der britischen Kriegsmarine, Sir Henry Jackson. Spicer und sein Büronachbar schnellten hoch und salutierten. Der Admiral sagte: «Guten Morgen, Gentlemen», schloss sorgfältig die Tür hinter sich und schlenderte, eine Aktenmappe in der Linken, durch den Raum zum Kamin. Spicer war in höchstem Grade alarmiert. Mit der gespannten Aufmerksamkeit eines kleinen Raubtiers beobachtete er, wie sich der Admiral mit dem Ellbogen auf den Kaminsims stützte und ein paar freundliche Bemerkungen über das Wetter, den nahenden Frühling und das Rugbyspiel vom Wochenende machte. Spicer sog die Wangen zwischen den Zähnen ein und hob die Brauen, um seinem Gesicht einen interessierten und kompetenten Ausdruck zu verleihen. Da aber der Admiral sich immer nur an Thompson und nie an ihn wandte, hatte er schon bald den Verdacht, dass dieser sich nicht für ihn, sondern ausschließlich für den Major interessierte. Der Verdacht verdichtete sich zur Gewissheit, als der Admiral dem Geplauder ein Ende machte und stirnrunzelnd seine Aktenmappe durchblätterte.
    «Sagen Sie, Thompson… Hier steht, Sie haben ein Magengeschwür. Ist das richtig?»
    «Das war vor acht Jahren, Sir.» Der Major schob vorsichtig seine Pistaziendose beiseite und zog die Lippen über die großen, gelben Zähne. «Deswegen musste ich den aktiven Dienst quittieren.»
    «Und jetzt?»
    «Geht’s besser. Danke, Sir.»
    «Wir haben über Sie gesprochen, Thompson. Der First Sea Lord hält große Stücke auf Sie.»
    «Auf mich?»
    «Sie sind ein fähiger Offizier, wir brauchen Sie. Es ist Krieg, wir können auf keinen brauchbaren Mann verzichten.»
    «Jawohl, Sir.»
    «Und Ihr Geschwür ist verheilt?»
    «Nahezu.»
    «Dann können wir es uns nicht leisten, Sie hier in diesem Loch versauern zu lassen. Ich habe eine Aufgabe für Sie, Thompson.»
    «Eine Aufgabe, Sir?»
    «Eine Expedition nach Afrika. Sie bringen ein Kanonenboot auf dem Landweg zum Tanganikasee, versenken einen kleinen deutschen Dampfer und kommen wieder nach Hause.»
    «Ein Kanonenboot? Auf dem Landweg?»
    «Dann erlassen wir Ihnen die restliche Dienstzeit und entlassen Sie sofort in

Weitere Kostenlose Bücher