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Eine Frage der Zeit

Eine Frage der Zeit

Titel: Eine Frage der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
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der Lichtmaschine und grub auf dem Exerzierfeld Ablaufkanäle fürs unaufhörlich strömende Regenwasser. Wenn man ihn ansprach, hörte er einem zu und nickte, aber niemals kam ein Wort über seine Lippen. Er sprach mit niemandem, auch nicht mit Kapitänleutnant von Zimmer, der den Sonderling klugerweise in Frieden ließ und auf jede Maßregelung verzichtete. Wenn die Wissmann auf Patrouillenfahrt ging, fuhr Tellmann als Maschinenmeister mit. In Wendt’s Biergarten zeigte er sich nicht mehr, und wenn er auf seinen Wegen zufällig Rüter oder Wendt begegnete, so tat er, als kenne er sie nicht, und lief rasch zurück in die Kaserne.
    So wurde es einsam um Anton Rüter und Hermann Wendt. Da der Biergarten im Regen ertrank, trugen sie die Zebraledermöbel hinunter zur Götzen und richteten sich auf der Kommandobrücke eine gemütliche, luftige und durch Moskitonetze geschützte Ecke her, in der sie fortan ihre Abende verbrachten. Mamadou lieferte weiterhin das Hirsebier, Samblakira die Mahlzeiten. Manchmal kamen Mkwawa und Kahigi zum Essen, gelegentlich auch der schöne Massai Mkenge. Zur Schlafenszeit löste sich die Gesellschaft auf. Die Afrikaner gingen zurück ins Dorf, Rüter und Wendt nahmen allein den Trampelpfad hinauf zu ihren Häusern unter die Füße. Später, wenn es dunkel war und alles schlief, schlich manchmal im Regen Samblakira zur Landzunge hinaus und verschwand in einem der beiden Häuser – ob bei Rüter oder Wendt, wussten diese im voraus nie. Kurz vor dem ersten Hahnenschrei lief sie rasch ungesehen nach Hause. Und wenn Wendt und Rüter eine Stunde später Seite an Seite hinunter zur Helling gingen, verloren sie nie ein Wort darüber.
    Große Aufregung herrschte an jenem Tag Mitte November 1914, an dem endlich wieder ein Zug über den Berg kam. Anton Rüter und Hermann Wendt waren tief im Innern der Götzen mit der Montage der Pleuelstangen an der zweiten Dampfmaschine beschäftigt, als sie durchs Regengetrommel das lauter werdende Stampfen und Pfeifen einer Dampflokomotive hörten. Sie stürmten hinauf an Deck und sahen, wie der Zug am Bahnhof vorbei geradewegs zum Hafen fuhr und unter dem Drehwippkran zum Stillstand kam. An die Lokomotive angehängt waren vier Tiefladegüterwagen. Auf ihnen lag, durch drei Querschnitte säuberlich in vier Teile zersägt, ein etwa fünfzehn Meter langes Dampfboot. Der Bug lag auf dem vordersten Wagen, die zwei Teile des Mittschiffs lagen in der Mitte, und das Heck befand sich auf dem hintersten Wagen.
    Rüter ahnte, dass auch das nichts Gutes bedeutete. «Was ist das denn?», sagte er ärgerlich. «Was zum Teufel soll das denn nun wieder sein?»
    Das gevierteilte Boot war noch kleiner und noch armseliger als die Wissmann. Die Eisenplatten am Bug waren rostig, die Messingrohre mit Grünspan bedeckt, und das Holz der Deckaufbauten war grau und voller Risse. In welchem Zustand die Dampfmaschine war, konnte Rüter auf die Entfernung nicht sehen. Aber er konnte es sich vorstellen.
    «Keine Ahnung, was das sein soll», sagte Wendt. «Auf jeden Fall schwimmt’s nicht.»
    «Ich wette, wir müssen’s zum Schwimmen bringen.»
    «Das wird niemals schwimmen. Eine Würstchenbude können wir draus machen, oder ein Karussell für die Kinder. Zur Not auch einen Schweinekoben. Aber schwimmen tut’s nicht. In hundert Jahren nicht.»
    «Wir müssen’s bestimmt zum Schwimmen bringen», sagte Rüter. «Da, der Kapitänleutnant.»
    Gustav von Zimmer sprang aus dem Führerstand der Lokomotive, schaute hinauf zur Götzen und winkte Rüter und Wendt mit zwei Fingern zu sich herunter.
    «Na, Gefreiter Rüter, Sie sind heute wieder mal fröhlich, wie?»
    «Ich habe nicht gelacht, Herr Kapitänleutnant.»
    «Nicht so richtig, ich weiß schon, das können Sie gar nicht. Aber doch so ein bisschen, nach Ostfriesenart, nicht wahr?»
    «Ich bin kein Ostfriese, Herr Kapitänleutnant.»
    «Nein? Ich denke, Sie sind aus Papenburg?»
    «Das liegt im Emsland, Niedersachsen.»
    «Na, sehen Sie, das sage ich doch. Darf man wissen, was Sie heute so fröhlich stimmt? Ist es wieder unsere Marine?»
    «Jawohl, Kapitänleutnant.»
    «Ich verstehe. Meine Herren, was Sie hier sehen, ist das Zollschutzdampfschiff Kingani, das ab sofort die Wissmann bei der Verteidigung unseres Territoriums unterstützen wird.»
    «Woher kommt sie?»
    «Aus Daressalam. Zwanzig Jahre alt. Ich habe sie gerade noch rechtzeitig weggeschafft, bevor die Engländer den Hafen besetzt haben. Und in letzter Minute habe ich noch einen

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