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Eine Frage der Zeit

Eine Frage der Zeit

Titel: Eine Frage der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
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waren leicht und jugendlich, sein Elan offensichtlich ungebrochen; fast schien es, als habe der Krieg, der alle anderen ihrer Jugend und ihrer Ideale beraubte, ihn im Gegenteil verjüngt und gestärkt.
    Schließlich wandten sich die Herrschaften von den Kanonen ab, um die Reihen der Soldaten abzuschreiten. Der Gouverneur und die Gouverneurin gingen Arm in Arm voraus, in respektvollem Abstand folgten der Kapitänleutnant und Hauptmann Göring. Anton Rüter beobachtete, wie die Gouverneurin Schritt um Schritt auf ihn zukam. Sie bewegte sich mit der gewohnten fraulichen Grazie und musterte mit beherrschter Munterkeit jedes einzelne Soldatengesicht, an dem sie vorbeizog, die schwarzen genauso wie die braunen, die roten und die kränklich fahlen – und als sie bei den drei Papenburgern anlangte, die sie anderthalb Jahre zuvor mit mütterlicher Zärtlichkeit umsorgt hatte, musterte sie auch diese mit exakt demselben amüsierten Interesse und ohne das geringste Zeichen des Wiedererkennens.
    Nachdem sie vorbeigegangen war, tauschten Wendt und Rüter ironische Blicke aus, und sogar der alte Tellmann, der noch immer kein Wort sprach, zwinkerte ihnen mit dem rechten Auge belustigt zu. Aber dann kamen der Kapitänleutnant und Hauptmann Göring näher, und die Papenburger standen wieder stramm. Göring schien die Truppe keines Blickes zu würdigen, aber als er bei Rüter angelangt war, blieb er abrupt stehen.
    «Schau an, die drei Ostfriesen! Na, jetzt auch bei der Truppe?»
    «Jawohl, Herr Hauptmann», sagte Rüter.
    «Die Herren sind aus dem Emsland», murmelte der Kapitänleutnant.
    «Sag ich doch, Ostfriesland. Brav, sehr brav. Und Ihr Schiff ist fertig geworden, wie ich sehe! Der große Kahn dort hinten ist die Götzen, nicht wahr?»
    «Jawohl, Herr Hauptmann.»
    «Und das kleine Boot, das aussieht wie eine Keksdose?»
    «Die Keksdose ist die Wissmann», sagte Rüter. «Es gibt noch eine zweite Keksdose, aber die ist seit ein paar Tagen verschwunden.»
    «Verschwunden?»
    «Kein Grund zur Sorge», mischte sich der Kapitänleutnant aufs Neue ein. «Die Kingani ist auf Feindfahrt am belgischen Ufer. Wenn sie übermorgen nicht zurück sein sollte, macht sich die Wissmann auf die Suche. Hauptmann Göring, wünschen Sie eine Besichtigung der Götzen?»
    Die vier Herrschaften gingen hinüber zum Hafen, um einen Rundgang durch das Schiff zu machen. Rüter atmete aus, trat einen Schritt beiseite und beobachtete, wie sie übers Fallreep zum Hauptdeck hinaufstiegen und dann zielstrebig zur Back gingen, um die Stelle zu besichtigen, an der man die 105-mm-Kanone anbringen würde.
    Die Soldaten hingegen kehrten im Eilmarsch in die Kaserne zurück.
     
     
    Nachmittags wollte die Gouverneurin Krokodile schießen, denn diese Tiere gab es nicht in Daressalam. Kapitänleutnant von Zimmer empfahl ihr eine Flussmündung unweit südlich der Kaserne, in der es von Krokodilen nur so wimmelte, und da Gouverneur Schnee unter Hinweis auf einen leichten Fieberschub um Dispens bat, erbot sich Hauptmann Göring, die Gouverneur in im Ruderboot hinzubringen.
    Während also der Gouverneur im eigens für ihn erstellten Pavillon schlief und seine Gattin Krokodile schoss, dösten die Soldaten während der heißesten Stunden des Tages im Schatten des Palmenhains, der sich von der Kaserne hinunter zum Strand erstreckte. Manche hatten Hängematten aufgehängt, andere lagen aufgeflochtenen Matten oder einfach im Sand. Die meisten schliefen, einige spielten Karten oder klaubten sich die Sandflöhe unter den Zehennägeln hervor, andere flickten ihre zerschlissenen Uniformen, schrieben Tagebuch oder schnitzten Schiffsmodelle aus dem mürben Holz der Sykomore. Der Kapitänleutnant las in der «Weltgeschichte in Umrissen» des Grafen Yorck von Wartenburg, die ihm Hauptmann Göring ausgeliehen hatte. Da geschah es, dass vom Strand her eine lange, schlaksige Gestalt über den blendend weißen Sand herankam, die einen Rock aus Antilopenfell und handtellergroße, flache Steine in den Ohrläppchen trug.
    Der Kapitänleutnant ließ sein Buch sinken, stützte sich auf die Ellbogen und kniff die Augen zusammen, und dann erkannte er den Mann; er erkannte ihn, aber er traute seinen Augen nicht. Die Gestalt war niemand anderes als jener Massai-Prinz, den er vor ein paar Wochen hatte auspeitschen lassen. Allem Anschein nach war er unbewaffnet. In der linken Hand trug er einen golden glänzenden Gegenstand, eine Art Scheibe, in der rechten einen irdenen Topf. Von Zimmer sprang

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