Eine Frage der Zeit
freundlicher und klarer Morgen, aber der See war ziemlich kabbelig, und die Boote tanzten aufgeregt übers Wasser wie flache Kiesel. Von meiner Anhöhe aus konnte ich Spicer deutlich sehen, wie er ruhig, aufrecht und freihändig im Bug stand, durchs Fernglas schaute und dem Steuermann mittels Handzeichen Anweisungen gab. Er blieb auch aufrecht stehen, als die Kingani plötzlich eine halbe Drehung machte und ihr Bordgeschütz gegen Mimi richtete, und er blieb genauso aufrecht, als links und rechts deutsche Granaten ins Wasser schlugen und Fontänen in die Höhe spritzten. Ich will Dich nicht mit Schlachtenbeschreibungen langweilen, nur so viel: Commander Spicer Simson hat mir das größte Spektakel geboten, das ich je gesehen habe, und er ist in jenen Minuten der große Feldherr gewesen, der er zeitlebens hatte sein wollen. Er hat kühl berechnend den richtigen Augenblick abgewartet, um dann furchtlos und klug zu handeln und den Feind mit einem einzigen, gut geführten Schlag zu besiegen. Nachdem die ersten Schüsse gefallen waren, ließ Spicer Mimi und Toutou einen weiten Bogen fahren, um die Kingani, die nur eine einzige Kanone vorne auf der Back hatte, von hinten anzugreifen. Für uns Zuschauer war die Seeschlacht, kaum dass sie begonnen hatte, schon wieder vorbei. Nach ein paar Fehlschüssen schlug eine Granate im Vordeck der Kingani ein, es gab eine Stichflamme und ziemlich viel Rauch, und dann holte jemand die Flagge mit dem Reichsadler ein, und jemand anderes schwenkte ein weißes Tuch.
Wir Zuschauer oben auf dem Hügel brachen in Jubel aus und liefen hinunter zum Hafen, um die Helden gebührend zu empfangen. Als Erstes traf Mimi ein, dann Toutou, welche die Kingani im Schlepptau hatte. Das deutsche Schiff hatte ein großes Loch im Bug und drohte zu sinken, weshalb es an den Strand geschleppt wurde und in sieben Fuß tiefem Wasser auflief. Ich vergewisserte mich, dass die elf Gefangenen und alle unsere Leute heil und unverletzt waren, und dann suchte ich im allgemeinen Gewimmel und Jubelgeschrei nach Commander Spicer Simson. Ich fand ihn dreihundert Meter südlich des Hafens, wo er allein am Strand saß und Steinchen ins Wasser warf.
«Herzlichen Glückwunsch, Commander!», rief ich, während ich auf ihn zulief. «Sie haben gesiegt!»
«Ja, nicht wahr?», antwortete er leise und rieb sich verlegen die Nase.
«Commander, ich habe alles gesehen. Sie waren großartig. Die Deutschen hatten nicht den Hauch einer Chance.»
«Danke, Hanschell.» Spicer warf ein weiteres Steinchen ins Wasser. «Ich glaube wirklich, es war in Ordnung, nicht wahr?»
«Die Leute rufen nach Ihnen, Commander. Sie wollen Sie sehen.»
«Na, dann wollen wir mal.»
Und dann reichte Commander Geoffrey Spicer Simson im Moment seines größten Triumphs, da all seine Träume wahr geworden waren und sein Lebenszweck sich erfüllt hatte, mir wie ein alter Mann die Hand, damit ich ihm auf die Beine half. Und als wir Schulter an Schulter zurück zum Hafen liefen, konnte ich aus den Augenwinkeln sehen, wie er immer wieder leicht den Kopf schüttelte.
Die Ersten, die uns entdeckten, waren zwei Leichtmatrosen, die auf Toutou dabei gewesen waren. Ihre Gesichter waren feucht vom Siegesrausch, und jeder von ihnen streckte mir ein Fläschchen entgegen, das etwa zur Hälfte mit Blut und Fleischklümpchen gefüllt war. Im einen Fläschchen steckte ein halber Finger.
«Was soll das denn?», fragte ich.
«Ein Souvenir, Doktor!», schrien die beiden begeistert. «Blut vom deutschen Kapitän! Damit wir zuhause was herzeigen können! Würden Sie bitte Chemie reinmachen, damit’s nicht zu stinken anfängt?»
Ich wollte protestieren und die zwei Rohlinge zum Teufel schicken, aber als ich den Mund aufmachte, drückte mir der Commander sachte, aber unnachgiebig den Oberarm. Da öffnete ich meinen Koffer und füllte die zwei Flaschen mit Thymol, das eine ausreichend bakterizide und fungizide Wirkung haben sollte.
Da nun aber klar war, dass auf der Kingani Blut geflossen war, lief ich so rasch als möglich hin, konnte dort aber auf den ersten Blick sehen, dass es für mich nichts mehr zu tun gab. Eine Granate hatte den hölzernen Schutzschild der Bordkanone durchschlagen und die drei Männer dahinter – den Bootsführer und seine zwei Ersten Offiziere – buchstäblich in Fetzen gerissen. Es roch beißend scharf nach Pulverdampf, das ganze Schiff war über und über mit Blut besudelt, und mittendrin stand zitternd, meckernd und unverletzt – das musst Du
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