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Eine Frage der Zeit

Eine Frage der Zeit

Titel: Eine Frage der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Sander
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der Welt würden sie sofort erkennen und die Polizei informieren.“
    „Wenn es so schwer ist, die Bilder zu verkaufen, frage ich mich, warum die Täter sie gestohlen und dafür sogar einen Menschen umgebracht haben“, sagte Marcks.
    „Es gibt nur zwei mögliche Antworten auf Ihre Frage. Entweder handelten die Räuber im Auftrag eines unbekannten Kunstsammlers, der die Gemälde in seinem Safe verschwinden ließ, oder die Kunstdiebe waren Art-Napper.“
    „Was sind Art-Napper?“ fragten Velten und Marcks simultan.
    „Das sind Kriminelle, die Kunstwerke ‚entführen’, um anschließend die rechtmäßigen Eigentümer zu erpressen. Sie bieten ihnen die Bilder zu einem Bruchteil ihres tatsächlichen Werts zum Rückkauf an. Diese Vorgehensweise wird angewandt, wenn die Gemälde zu bekannt sind, um sie auf dem legalen oder grauen Kunstmarkt absetzen zu können, so wie die Impressionisten von Konstantin Landau. Die Diebe drohen damit, die Bilder zu zerstören, falls der Deal nicht zustande kommt.“
    „Im Fall der gestohlenen Impressionisten von Konstantin Landau können wir Art-Napping wohl ausschließen“, sagte Velten. „Die Täter hatten Landau ja umgebracht. Und Tote kann man nicht erpressen.“
    „Also gab es wohl doch den reichen Drahtzieher im Hintergrund, der Stürmer und seine Komplizen beauftragt hatte, ihm die Bilder zu verschaffen“, schlussfolgerte Marcks. „Sicher war nicht eingeplant, dass Landau dabei ums Leben kam.“
    „Eingeplant vielleicht nicht, aber es wurde billigend in Kauf genommen“, ergänzte Velten. „Herr Linaud, wie müssen wir uns diese Kunsträuber vorstellen?“
    Der Galerist trank seinen Tee aus und dachte einen Moment nach: „Herr Velten, Frau Marcks, der Diebstahl und die Fälschung von Kunstgegenständen werden längst in großem Stil betrieben. Wir haben es mit einem illegalen Markt zu tun, der nach Schätzungen des FBI weltweit in jedem Jahr sechs Milliarden US-Dollar umsetzt, das entspricht einem Anteil von rund zehn Prozent an allen gehandelten Kunstwerken. Sie können an diesen Dimensionen erkennen, welche Rolle der schwarze oder graue Kunstmarkt heute spielt. Die Renditen sind enorm. Nur mit Geldwäsche, Menschen- oder Drogenhandel lässt sich mehr Geld verdienen. Und wie bei diesen Delikten haben wir es auch beim Kunstraub längst mit einer Form des organisierten Verbrechens zu tun. Einzeltäter wie Vincenzo Peruggia, der 1911 die Mona Lisa aus dem Louvre stahl, gibt es heute nur noch in Hollywood-Filmen.“
    „Aber die Täter gehen doch ein enormes Risiko ein“, mutmaßte Marcks. „Die meisten Museen sind doch mit modernster Technik gesichert.“
    Linaud lachte: „Sie würden sich wundern, wie leicht es den Tätern oft gemacht wird. Wahrscheinlich ist es schwerer, in meine Galerie einzubrechen, als in manches renommierte Museum. Erst vor wenigen Jahren konnten Kriminelle aus der Kunsthalle in Rotterdam sieben Meisterwerke der bekanntesten Maler stehlen, darunter Picasso, Matisse, Monet und Gauguin. Die Diebe drangen in das Gebäude ein, ignorierten die Alarmanlage, rissen die Bilder von der Wand und waren verschwunden, bevor die Polizei vor Ort war. Die Täter, die 1994 Munchs weltberühmtes Gemälde ‚Der Schrei’ aus der Nationalgalerie in Oslo stahlen, mussten nicht mehr tun, als mit einem Hammer ein Fenster einzuschlagen, in das Museum einzusteigen und das Bild abzuhängen. Es gab zwar einen Alarm, aber der Wachmann kümmerte sich nicht darum. Sie sehen, das Schwierigste bei einem Kunstraub ist oft nicht der eigentliche Diebstahl, sondern der anschließende Verkauf der ‚Ware’. Wenn Sie mich fragen, waren die Räuber der Landau-Sammlung entweder Profis mit besten Verbindungen oder Idioten, die keine Ahnung vom internationalen Kunstmarkt haben.“
    „Dass es sich um Idioten handelte, können wir wohl ausschließen“, warf Velten ein. „Der Hauptverdächtige, ein gewisser Alexander Stürmer, war ein international bekannter Restaurator.“
    „Sie haben recht“, stimmte Linaud zu. „Ich las davon. Wurde er nicht nach dem Raub von seinen Komplizen ermordet?“
    Velten nickte: „Seine Leiche wurde mit eingeschlagenem Schädel im Pfälzerwald gefunden. Ob er tatsächlich von seinen Kumpanen umgebracht wurde, ist nach unserer Ansicht noch lange nicht bewiesen. Es könnte auch ganz anders gewesen sein.“
    „Das ist interessant. Was denken Sie, wer ihn getötet hat?“
    „Darüber können wir nicht sprechen, solange unsere Recherchen noch laufen“,

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