Eine Frage der Zeit
Ich fand die Idee reizvoll und seitdem arbeiteten wir zusammen. Ich kann ohne Übertreibung sagen, dass Elke mir die Tür nach Waldenthal und in die Südwestpfalz aufgestoßen hat. Die Region ist für mich inzwischen der zweitwichtigste Markt nach Saarbrücken.“
„Aber Sie selbst haben nie an einer der Vernissagen in Waldenthal teilgenommen“, warf Velten ein.
Bevor Linaud antworten konnte, brachte seine Assistentin die Getränke herein. Als Velten den grasgrünen und nach feuchter Wiese riechenden Tee bemerkte, war er froh, sich für den Latte Macchiato entschieden zu haben. Da auf dem Tisch wenig Platz war, legte er das Handy und seinen Notizblock auf den freien Stuhl zu seiner Rechten.
„Wissen Sie, ich bleibe gerne im Hintergrund und überlasse die Bühne den Künstlern. Als Galerist bin ja nur der Mittler zwischen den Malern und den Kunstliebhabern, die ihre Werke kaufen. Elke hat das sehr gut verstanden und mich nie gedrängt, zu einer ihrer Ausstellungseröffnungen zu kommen.“
„Würden Sie Frau Volkmer als eine Freundin bezeichnen?“, fragte Marcks.
Linaud nahm einen Schluck Tee, schloss die Augen und ließ sich Zeit für seine Antwort: „Ich glaube, das würde zu weit gehen“, sagte er schließlich. „Wir haben uns eigentlich nur über Kunst unterhalten und nie über private Themen. Elke war sehr zurückhaltend, wenn es um ihre persönlichen Angelegenheiten ging.“ Er deutete auf ein Gemälde, dass in einer Ecke seines Büro auf einer Staffelei stand: „Ich kann mich nur an eine Ausnahme erinnern. Als sie vor einiger Zeit in meinem Auftrag ein besonders teures Gemälde verkauft hatte, sagte ich ihr, dass sie einen Wunsch frei hätte. Sie gab mir ein altes Foto ihres Wochenendhauses in Lothringen und bat mich, es zu malen. Sie müssen wissen, dass Elke vor einigen Jahren vorübergehend in großen finanziellen Schwierigkeiten steckte. Sie hatte mehrere ihrer Immobilien verkaufen müssen, doch diesen alten Bauernhof, in dem sie in ihrer Kindheit oft die Ferien verbracht hatte, konnte sie mit großen Mühen halten. Sie hat ihn im vergangen Jahr aufwändig renovieren lassen. Wie Sie sehen, ist das Bild noch nicht ganz fertig. Nach ihrem tragischen Tod weiß ich nicht, ob ich es jemals vollenden kann.“
Velten stand auf und sah sich das Aquarell genauer an. Es zeigte ein altes Bauernhaus mit Wänden aus braunen, unverputzten Ziegeln und grünen Fensterläden. An das Gebäude grenzte ein kleiner Garten, der von einer Eiche dominiert wurde, die in jungen Jahren vom Blitz gespalten worden war. Es sah aus, als würden zwei Bäume aus dem gleichen Stamm wachsen. „Sie sind ein talentierter Maler.“
Linaud winkte verlegen ab: „Ich bin ein blutiger Dilettant im Vergleich zu den großartigen Künstlern, deren Werke ich in meiner Galerie präsentieren darf. Aber das Malen macht mir Spaß und es entspannt mich. Ich habe oft abends an dem Bild gearbeitet, bevor ich nach oben ging“
„Nach oben?“
„In meine Wohnung. Sie liegt praktischerweise über der Galerie.“
„Sie sagten, dass Sie Frau Dr. Volkmer vor zwei Jahren hier kennenlernten“, sagte Marcks. „Das muss dann ja kurz nach der Eröffnung ihrer Galerie gewesen sein.“
Er lächelte „Das stimmt. Tatsächlich war ich erst wenige Monate zuvor aus Paris, wo ich Mitinhaber eines Kunstauktionshauses war, in meine Heimatstadt Sarreguemines zurückgekehrt. Als ich dann die Möglichkeit bekam, in Saarbrücken eine eigene Galerie zu eröffnen, habe ich nicht lange gezögert und mir meinen Lebenstraum erfüllt. Aber ich nehme an, Sie sind nicht nach Saarbrücken gekommen, um sich meine Biografie anzuhören oder sich meine ungelenken Malversuche anzuschauen.“
Velten verstand, dass der Galerist zur Sache kommen wollte. „Wir recherchieren im Mordfall Konstantin Landau. Er wurde vor drei Jahren von unbekannten Tätern umgebracht. Seine Gemäldesammlung wurde geraubt. Sie haben sicher von dem Fall gehört.“
„Aber natürlich. Ich hatte damals sogar in Paris darüber gelesen. Eine schreckliche Sache. Soviel ich weiß, sind die Bilder seit damals spurlos verschwunden.“
„Das ist richtig“, bestätigte Velten. „Uns interessiert, wie die Täter mehr als ein Dutzend bekannte Gemälde zu Geld machen konnten. Die Bilder sind doch praktisch unverkäuflich.“
„Allerdings. Auf legalem Weg sind die Werke, meines Wissens waren es französische Impressionisten, sehr schwer zu veräußern. Jeder Kunsthändler und jedes Auktionshaus auf
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