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Eine Frage der Zeit

Eine Frage der Zeit

Titel: Eine Frage der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Sander
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zurück, damit seine Künstler im Rampenlicht stehen. Auf der anderen Seite ist er aber auch mutig genug, einen guten Posten in Paris aufzugeben und hier in der Provinz neu anzufangen. Und wie es scheint, hat er mit seiner Galerie Erfolg. Ich würde gerne mehr über ihn erfahren.“
    „Dazu bietet sich sicher bald die Gelegenheit bei einem guten Essen in dem kleinen Restaurant am St. Johanner Markt.“
    „Warum eigentlich nicht?“, meinte sie nur und gab sich wieder dem Fahrtwind hin.
    Er teilte die Begeisterung seiner Kollegin für Eric Linaud nur bedingt. In seinen Augen verbarg sich hinter dessen affektiertem Getue und der demonstrativ zur Schau getragenen Liebe zur Kunst ein knallharter Geschäftsmann. Da Velten sowohl die Fähigkeit als auch die Neigung zur kalkulierten Selbstdarstellung fehlten, wirkten Menschen wie Linaud auf ihn unauthentisch und berechnend. Auf der anderen Seite respektierte er das kaufmännische Talent des Kunsthändlers. Es war sicher nicht leicht, die extrem teuren Bilder, die er in seiner Galerie anbot, im saarländisch-französischen Grenzgebiet abzusetzen. Gutbetuchte Kunstliebhaber waren in der wirtschaftlich rückständigen Region dünn gesät. Doch Linaud schien es gut zu gehen. Seine Galerie und die Wohn- und Geschäftsräume in bester Lage in der Saarbrücker City kosteten zweifellos eine horrende Miete und die noble Einrichtung war vom Feinsten. Velten konzentrierte sich wieder auf den Mord an Stürmer und berichtete Marcks von seinem Telefonat mit Kreutzer. „Ich werde Sie beim Morgenkurier absetzen und dann zu ihm fahren. Ich habe das Gefühl, dass es besser ist, wenn ich alleine mit ihm rede.“
    „Ich dachte, wir wären ein Team“, protestierte sie.
    „Sind wir auch. Und deshalb habe ich volles Vertrauen in Sie und weiß, dass Sie einen erstklassigen Artikel über den Selbstmord von Dr. Volkmer für die morgige Ausgabe schreiben werden, während ich mit Kreutzer spreche. Sie können darin gerne auch die salbungsvollen Worte des faszinierenden Eric Linaud über die Verblichene verwursten.“
    „Dazu brauche ich keine halbe Stunde“, maulte sie. „Was mache ich mit dem Rest des Tages?“
    „Genießen Sie das schöne Wetter und bummeln Sie durch Waldenthal. Im Eiscafé neben Luigis Pizzeria gibt es einen hervorragenden Erdbeerbecher.“
     
    - - -
     
    Sie erreichten das Pressehaus am späten Nachmittag. Velten ließ Marcks aussteigen, dann fuhr er weiter zum Haus von Dieter Kreutzer . Es befand sich in einem ruhigen Vorort der Stadt. Er parkte den Mercedes vor dem Bungalow aus den siebziger Jahren. Von außen war nicht zu erkennen, ob der Chefredakteur oder seine Familie zuhause waren. Er ging durch den kleinen Vorgarten und drückte auf den Klingelknopf. Augenblicklich öffnete sich die Haustür. Dieter Kreutzer empfing ihn in Jeans und T-Shirt. Sein Gesicht war grau und sein Haar sah ungewaschen aus. Mit ernster Miene schüttelte er Velten die Hand. „Kommen Sie mit, wir setzen uns in den Garten.“ Er ging voran durch die rustikal eingerichtete Wohnung zu einer schattigen Terrasse, an die sich ein großer, mit alten Obstbäumen bestandener Garten anschloss. Kreutzer deutete auf einen der hölzernen Stühle und Velten nahm Platz. Die beiden Männer saßen sich schweigend gegenüber, nur das Piepen der Vögel und ein Rasenmäher, der in der Ferne brummte, waren zu hören. Keiner wollte das Gespräch, das unangenehm werden würde, beginnen. Kreutzer starrte eine Weile regungslos auf den Gartentisch, als gäbe es für ihn im gesamten Universum gerade nichts Interessanteres als die Schale mit angeschlagenen Äpfeln, die vermutlich von seiner Frau dorthin gestellt worden war. Schließlich straffte er sich: „Als ich Ihnen am Mittwoch sagte, Sie sollen die Stürmer-Story ‚am Kochen halten’, hatte ich nicht damit gerechnet, dass wir heute hier sitzen und über meine Beziehung zu Elke sprechen würden.“ Als Velten nicht auf die lahme Eröffnung einging, kam Kreutzer ohne Umschweife zur Sache: „Nun gut, bringen wir es hinter uns. Ich werde Ihnen erzählen, was zwischen mir und Elke gewesen ist und verlasse mich darauf, dass Sie verantwortungsvoll mit der Sache umgehen.“
    „Ich bin ganz Ohr.“
    „Vor etwa fünf Jahren steckte meine Ehe in einer schweren Krise. Anja und ich hatten uns auseinandergelebt, wie man so schön sagt. Wir waren in einer Phase, in der jeder von uns seinen eigenen Interessen nachging und wir höchstens noch zusammen kamen, um uns

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