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Eine Frage des Herzens

Eine Frage des Herzens

Titel: Eine Frage des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Geschichte unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt, das Sixtus niemals brechen würde. Aber er hatte nicht umhinkönnen, sich darüber Gedanken zu machen, welcher der livrierten Fahrer wohl Seamus war.
    Als der junge Mann nun sein Büro betrat, war er daher nicht im mindesten überrascht. Es war der große Rothaarige mit den blauen Augen, der die Hotelgäste mit einem warmen Lächeln und erhobener Hand zu grüßen pflegte. Im Greencastle machte er stets einen freundlichen, beflissenen Eindruck. Doch als er nun eintrat, waren seine Schultern gebeugt, und er wirkte verunsichert und eingeschüchtert.
    »Hallo, Seamus.« Sixtus durchquerte das weitläufige Büro, um ihn zu begrüßen.
    »Hallo, Mr. Kelly.«
    Sie schüttelten sich die Hände, und Sixtus bedeutete ihm, auf dem Stuhl Platz zu nehmen, auf dem Tom vor einigen Wochen gesessen hatte.
    »Für dich Sixtus. Schließlich sind wir verwandt. Hast du das Büro auf Anhieb gefunden?«
    »O ja, Sir«, erwiderte Seamus, ohne darauf zu reagieren. »Ich habe schon viele Leute hierhergefahren und auch von hier abgeholt.« Er blickte aus dem riesigen Fenster zu seiner Linken auf die Dublin Bay, die im Sonnenlicht schimmerte.
    »Ich habe dich im Greencastle gesehen.« Sixtus musterte ihn.
    Seamus nickte und wurde rot. Es hatte den Blick starr auf das Fenster geheftet, als wäre er zu verlegen, um Sixtus anzuschauen.
    »Gefällt dir die Aussicht?«
    »Unglaublich. Unten von der Straße aus würde man ein solches Panorama nie vermuten.«
    »Ja. Es ist großartig. Und inspirierend. Weißt du, warum?«
    Seamus schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Ist dir die Schlacht von Clontarf ein Begriff?«
    »Ich bin Ire«, erwiderte Seamus lächelnd.
    Aha, das Eis war gebrochen. Sixtus nickte. »Dann weißt du, dass unsere Vorfahren Krieger waren. Damals im Mittelalter befanden sie sich beinahe fortwährend im Kriegszustand. Die einzelnen Clans lieferten sich blutige Fehden, Seamus. Bei den Dublinern galt es als Mutprobe, sich in die Provinz Connaught zu begeben, um einen Mann zu töten. Wenn unsere Vorfahren in die Schlacht zogen, fackelten sie nicht lange. Sie schlugen ihren Feinden die Köpfe ab oder rammten ihnen die Speerspitze zwischen die Zähne, während sie ihre Kapitulationserklärung entgegennahmen. Sie waren wehrhaft und allzeit bereit.«
    »Auch als die Dänen unser Land besetzten?«
    »Richtig. Im Jahre 1014 . Brian Boru war der Hochkönig, doch Tadhg Mor O’Kelly kämpfte bis zum letzten Atemzug für unseren Clan und für Irland. Wir Kellys sind stolz, sagen zu können, dass er den Heldentod erlitt. Siehst du das Wappentier?« Sixtus deutete auf das gerahmte Wappen, das an der Wand hinter seinem Schreibtisch hing.
    »Ein Meeresungeheuer.«
    »Richtig – das sich aus den Wellen erhebt wie in der Legende. Während der Schlacht, als O’Kelly im Sterben lag, erhob es sich aus dem Meer, um seinen Leichnam vor Marodeuren zu schützen.«
    Seamus hörte aufmerksam zu und betrachtete das Familienwappen, während Sixtus ihn musterte und die Familienähnlichkeiten wahrnahm – die klaren, intelligenten Augen, die Konzentrationsfähigkeit, die gerade Nase, den breiten Mund und, der einzige Makel, der das gute Aussehen der Kellys beeinträchtigte, die leicht abstehenden Ohren. Die Sommersprossen und die roten Haare stammten von Bernie.
    »Das Ungeheuer soll ihn beschützt haben?«, fragte Seamus.
    »Es
hat
ihn beschützt«, verbesserte ihn Sixtus.
    »Aber die Wikinger töteten ihn.«
    »Seamus«, sagte Sixtus geduldig, »jede Schlacht fordert Menschenleben. Das Meeresungeheuer tat sein Bestes und verhinderte, dass der Leichnam gestohlen wurde, denn das war gang und gäbe bei den Wikingern. Und wer weiß, vielleicht wäre er geschändet worden!« Beim Anblick des jungen Mannes, der mit gerunzelter Stirn das Meeresungeheuer der Kellys betrachtete, begann Sixtus unruhig auf seinem Stuhl hin und her zu rutschen. »Was ist?«, fragte er.
    »Nichts.«
    »Gut. Schließlich handelt es sich um das Wappen deiner Familie.«
    Seamus blickte auf und errötete noch mehr.
    »Du bist ein Kelly, mein Junge.«
    »Mein Name ist Sullivan.«
    »Hör zu, mein Cousin Tom hat mir alles erzählt. Ich weiß, dass du als Thomas James Sullivan zur Welt gekommen bist, und das ist der Name, den wir benutzen, um deinen Reisepass zu beantragen. Deshalb bist du doch hier, oder?«
    Seamus nickte.
    »Gut. Hast du Passfotos von dir machen lassen?«
    »Ja, hier.« Seamus klopfte gegen seine

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