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Eine Frage des Herzens

Eine Frage des Herzens

Titel: Eine Frage des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Brusttasche.
    »Ausgezeichnet. Unterschreib dieses Papier und bring es in das Verwaltungsamt in der Molesworth Street, Dublin 2 . Frag nach Clodagh. Sie erwartet dich und wird dir gleich dort den Reisepass ausstellen.«
    »Danke, Sir.« Seamus schob den Stuhl zurück und schickte sich zum Gehen an. Sixtus forderte ihn mit einer Geste auf, wieder Platz zu nehmen.
    »Du sagtest, dass du Irland so schnell wie möglich verlassen willst.«
    »Ja, so ist es.«
    »Sobald du den Pass hast, kannst du fliegen, morgen Abend schon, wenn du möchtest.«
    »Genau das habe ich vor«, erwiderte Seamus mit glänzenden Augen. »Ich habe bereits einen Flug bei Aer Lingus gebucht.«
    Sixtus atmete tief durch. Ein Kelly, wie er leibt und lebt – entschlussfreudig, zielstrebig, tatkräftig. Er betrachtete ihn und stellte fest, dass die Augen des jungen Mannes ihn aufs Neue verblüfften, diese typischen Kelly-Augen. Ihm war, als würde er in einen Spiegel oder in Toms Gesicht schauen.
    »Wegen der Kürze der Zeit wird der Pass auf den Namen Sullivan ausgestellt.«
    »Sir?«, fragte Seamus stirnrunzelnd.
    »Seamus, du bist ein Kelly.« Sixtus’ Kehle war wie zugeschnürt, als er die Worte aussprach, mit denen er den jungen Mann im Schoß der Familie willkommen hieß.
    »Mein Geburtsname lautet anders.«
    »Du bist Toms Sohn, das reicht mir aus.«
    »Ich kenne ihn nicht einmal.«
    Sixtus schüttelte ungeduldig den Kopf. »Glaubst du, das sei der entscheidende Punkt? Seamus, was meinst du, warum mein Schreibtisch so aufgestellt wurde, dass ich aus dem Fenster blicken kann? Ich bin ein vielbeschäftigter namhafter Anwalt, mit Fällen überhäuft. Ich habe keine Zeit für ein atemberaubendes Panorama. Das ist nicht der Grund, warum ich zum Fenster hinausblicke.«
    »Warum dann?«
    »Clontarf.« Sixtus kniff die Augen zusammen, in der Hoffnung, die Tränen zu unterdrücken. Er blickte angestrengt durch das Fenster auf der gegenüberliegenden Seite des Schreibtisches zu den nördlichen Ausläufern der Stadt hinüber, nach denen die Schlacht benannt wurde. Seamus drehte sich herum, um ebenfalls einen Blick nach draußen zu werfen. »Dort starb unser tapferer Ahnherr bei der Verteidigung Irlands.«
    »Tadhg Mor O’Kelly.«
    »Richtig.« Sixtus’ Herz verkrampfte sich bei dem Gedanken, was Seamus vorhin über das Meeresungeheuer gesagt hatte. Er hoffte, er würde es nicht wiederholen. »Ich halte nach ihm Ausschau.«
    »Nach wem?«
    »Nach dem Meeresungeheuer«, antwortete Sixtus leise.
    »Weil Sie es zu Ihrem Schutz brauchen?«
    »Nein, mein Junge. Um ihm zu danken. Für den Beistand, den es einem der Unseren geleistet hat. Das ist bei den Kellys üblich.« Er musterte Seamus, der aussah, als wäre er noch ein kleiner Junge, schmal, mit großen Augen, fassungslos über die unverhoffte Wende, die das Schicksal für ihn bereitgehalten hatte. »Wir kümmern uns um die Mitglieder unserer Familie.«
    »Das ist gut«, erwiderte Seamus ruhig.
    »Und du bist nun einer von uns.« Sixtus’ Stimme brach, auch wenn es ihm missfiel. »Für mich bist du Seamus Kelly, mein Junge. Ich sorge dafür, dass dir der Pass morgen zur Verfügung steht, dann kannst du reisen, wohin immer du willst.«
    »Nach Amerika«, flüsterte Seamus.
    Sixtus nickte. »Gut. Amerika also. Du hast Toms Nummer. Ich weiß, er rechnet mit deinem Anruf.«
    »Ich brauche seine Hilfe nicht.«
    »Möglich.« Sixtus sah die Entschlossenheit und den Stolz in seinen Augen. »Das liegt ganz bei dir. Aber melde dich bei mir, sobald du wieder in Dublin bist. Komm zu mir ins Büro, dann bereite ich die erforderlichen Dokumente vor, um deinen Namen in Seamus Kelly zu ändern.«
    »Aber …«
    Sixtus hob gebieterisch die Hand. Er war es nicht gewohnt, von Kollegen, Gegnern oder auch nur Familienangehörigen unterbrochen zu werden. »Tom sagte, dass du Rechtsanwalt werden willst.«
    »Ja, irgendwann einmal.«
    »Wenn du mit dem Studium fertig bist, wartet hier ein Büro auf dich. Das ist alles, was ich dir im Moment versprechen kann. Du wirst zeigen müssen, was du kannst, aber das dürfte kein Problem sein. Schließlich bist du ein Kelly, ob es dir passt oder nicht.«
    »Danke, Sir.« Seamus machte ein Gesicht, als hätte er am liebsten die Flucht ergriffen, notfalls mit einem Sprung aus dem Fenster. Sollte es ein Meeresungeheuer geben, das zufällig in der Bucht vorbeischwamm, hätte er sich vermutlich auf seinen Rücken geschwungen und es so weit wie möglich von den Docklands weggelotst.
    Doch

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