Eine Frage des Herzens
kann ich dir nicht sagen.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Kathleen, ich bin’s«, flüsterte er. »Wenn du es mir nicht sagen kannst, wem dann?«
Sie waren nicht alleine im Wagen, doch Mirande hatte das Radio eingeschaltet, und Monica und Juliana hinter ihnen waren in eine angeregte Unterhaltung vertieft. Seamus sah Kathleen in die Augen und wusste, dass es nichts gab, was sie trennen konnte, selbst in der Zeit, als sie geglaubt hatten, alleine auf der Welt zu sein.
»Ach Seamus, du wirst mich hassen …«, flüsterte sie.
»Das könnte ich nicht, ganz gleich, was auch geschehen mag.«
»Trotzdem, Seamus …«
»Niemals.« Er sah sie durchdringend an.
»Ich bin schwanger.« Ihre Stimme versagte, sie blickte wild um sich und schlug die Hände vor den Mund. Seamus schrie Mirande zu, sie solle anhalten, sofort, und das tat sie auch, gerade rechtzeitig für Kathleen, um die Autotür aufzureißen und sich in hohem Bogen am Straßenrand zu übergeben.
Bernie rief unterwegs Schwester Ursula an und bat, zwei Räume in der Academy herzurichten, einen für Seamus, den anderen für Kathleen. Kathleen sollte im Schlaftrakt der Mädchen übernachten und Seamus auf der Gästeetage, wo Priester und männliche Besucher untergebracht wurden, die hier in Klausur gingen oder die klösterliche Stille suchten. Auf diese Weise waren sie in entgegengesetzten Flügeln des Gebäudes einquartiert, aber nicht allzu weit voneinander entfernt. Sie konnte sich vorstellen, wie sehr sich Seamus und Kathleen danach sehnten, nach Möglichkeit jede Minute miteinander zu verbringen. Schwester Ursula erstattete noch kurz Bericht über den neuesten Stand der Weinlese, die problemlos über die Bühne ging, bevor sie das Gespräch beendeten.
»Es ist dir tatsächlich gelungen, Tom«, sagte sie, als sie die Bellevue Avenue entlang und durch Newport fuhren. »Du hast Seamus und Kathleen zusammengebracht.«
»Wir, Bernie.«
»Nein, das ist allein dein Verdienst. Danke, dass du an mich gedacht hast.«
»Wie soll ich das verstehen?«, fragte Tom, die Hände am Steuer, und blickte sie an.
»Du hättest ihn auch alleine am Flughafen abholen und zu Kathleen bringen können.«
Tom schüttelte den Kopf. »Du scheinst es einfach nicht zu begreifen.«
»Ich begreife sehr wohl. Ich brauche nur an die Mühe zu denken, die du dir gemacht hast – Sixtus’ Hilfe bei der Beschaffung des Reisepasses sichern, Chris dazu bringen, seine Beziehungen bei den hiesigen Einreisebehörden spielen zu lassen, um Kathleen ausfindig zu machen, den Plan ausarbeiten, in dem Regis eine wichtige Rolle spielte … Du hast alles im Alleingang bewältigt.«
»Heißt das, ich hätte Seamus ohne dich abholen sollen, um die Lorbeeren ganz alleine zu ernten?«
Sie schüttelte den Kopf. So wie er es darstellte, hätte man meinen können, sie sei engstirnig. Doch davon konnte keine Rede sein. Ihr Herz war schwer, weil sie wusste, wie sehr sie ihn verletzt hatte. Die vergangenen Wochen waren grauenvoll gewesen – sie hatte ihn jeden Tag vermisst und sich auf Schritt und Tritt nach ihm gesehnt. Sie konnte sich vorstellen, was er empfunden hatte. »So habe ich es nicht gemeint«, entgegnete sie.
»Bernie, ich sage es dir noch einmal: Du begreifst es einfach nicht.«
»Dann erklär es mir.«
»Für mich ist nur das von Bedeutung, was wir gemeinsam tun.«
»Ach Tom.«
»Seamus und Kathleen zu helfen, wieder zusammenzukommen, war ein Kinderspiel«, sagte er. »Ich habe phantastische Cousins, die mich voll und ganz unterstützt haben. Die Voraussetzungen für das Wiedersehen zu schaffen, meinem Sohn bei der Suche nach der Frau zu helfen, die er liebt, ihm den Weg zu ihr zu ebnen, das alles hat mir das Gefühl gegeben, wieder lebendig zu sein. Aber ich habe es nicht nur für ihn getan, sondern auch für mich.«
»Für dich?«
Tom nickte. »Weil ich weiß, wie es ist, wenn man jemanden unsäglich liebt.«
»Ach Tom …«
»Ich habe dich geliebt, seit ich denken kann, mit Leib und Seele, mit jeder Faser meines Seins.«
Bernies Herz war schwer. Sie blickte aus dem Fenster, Tränen in den Augen. Ohne Seamus glich der Raum zwischen ihnen einer tiefen, unüberbrückbaren Kluft.
»Komm zurück ins Star of the Sea«, flüsterte sie. »Wir werden eine Lösung finden.«
»Hältst du das wirklich für möglich?«
»Es muss möglich sein.«
»Bernie, es kann nicht so weitergehen, es muss sich etwas zwischen uns ändern.«
Bernie schloss die Augen. Ihre Gedanken
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