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Eine Frage des Herzens

Eine Frage des Herzens

Titel: Eine Frage des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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ließen, das vom Scheinwerferlicht eines Autos geblendet wird.
    »Kathleen?«, fragte er.
    »Ja.«
    Tom betrachtete das Bild des Mädchens, das sein Sohn seit Urzeiten geliebt hatte, und spürte eine enge Verbindung zu ihm. Die immerwährende Liebe zu einer Frau, in dem Wissen, sie niemals haben zu können, die Bereitschaft, das eigene Leben zu opfern, auch wenn sie nichts davon ahnte – das hatte Tom mit seinem Sohn gemein.
    »Ich habe eine Postkarte von ihr erhalten.« Schwester Anastasia öffnete eine Schreibtischschublade und holte eine Karte heraus. »Ihre Familie wanderte in die Vereinigten Staaten aus. Dort lebt sie heute, auf einem hochherrschaftlichen Anwesen in Newport, Rhode Island. Sie hat nach ihm gefragt.«
    »Wann kam sie?«, erkundigte sich Tom und nahm die Postkarte, die ihm Schwester Anastasia entgegenhielt.
    »Vor zwei Wochen«, sagte Schwester Anastasia. »Am Jahrestag von James’ Flucht aus St. Augustine’s. Ich wollte mich eigentlich selber auf den Weg zum Greencastle machen, um ihm Bescheid zu geben. Aber irgendetwas veranlasste mich zu warten.«
    »Sie ahnten, dass wir kommen.« Tom hielt die Karte in der Hand, während er die freundliche Nonne betrachtete. Bernie schien nichts gehört zu haben. Sie saß reglos da und starrte das Bild ihres Sohnes an, als wollte sie sich jedes Merkmal einprägen.
    »Es gibt verschiedene Arten von Visionen«, flüsterte Schwester Anastasia.
    Tom nickte. Bernie sagte nichts. Tom machte Anstalten, Schwester Anastasia die Postkarte zurückzugeben, doch sie schüttelte den Kopf. Er begriff und steckte sie in die Tasche.
    Bernie hatte ihre Augen unverwandt auf das Bild ihres Sohnes gerichtet. Schwester Anastasias Lippen bewegten sich, und Tom wusste, dass die betagte Ordensfrau sie lautlos segnete – Tom, Bernie und den Jungen, der St. Augustine’s sein Zuhause genannt hatte.

11
    S eamus bog auf den Parkplatz des Greencastle ein, aufgekratzt nach einem langen Tag unterwegs. Er hatte mit seinen Fahrgästen, einer Liedermacherin aus Nashville mit ihrer Managerin, die in Dublin ein restlos ausverkauftes Konzert im Temple Bar Music Center geben würde, eine Tour entlang der Küste nach Newgrange und Bru na Boinne gemacht – zum »Palast des Boyne«, einer prähistorischen Kultstätte in einem Flusstal, die als Wiege der irischen Zivilisation galt.
    Er war nicht nur der Fahrer, sondern auch – wenn er es sich eingestand – ein erstklassiger Fremdenführer. Nachdem er St. Augustine’s endgültig verlassen hatte, hatte er viel Zeit unterwegs verbracht und eine Menge von Irland gesehen. Ganz gleich, wo er auch hinkam, er stellte sich vor, mit Kathleen zurückzukehren – ihr die herrlichsten Sehenswürdigkeiten zu zeigen, Orte, von deren Existenz jenseits der Mauern von St. Augustine’s sie nicht einmal geträumt hatten. Und so hatte er im Lauf der Jahre ein buntes Sammelsurium historischer Fakten und irischer Legenden und Sagen in seinem Gedächtnis gespeichert.
    Solche Dinge hatte er von sich aus gelernt, und darauf war er stolz. Hätte er Eltern gehabt, die an den Wochenenden Ausflüge mit ihm unternahmen, hätten sie ihm etwas über Newgrange erzählt – eine Ganggräber-Anlage aus der Jungsteinzeit, die fünfhundert Jahre vor den Pyramiden in Ägypten errichtet wurde. Sie hätten mit ihm die Roof Box besichtigt, eine von Steinblöcken umrahmte Öffnung direkt oberhalb des Eingangs, die so plaziert war, dass sie die Strahlen der aufgehenden Sonne am 21 . Dezember – am Tag der Wintersonnenwende – einfing und zwanzig Minuten bewahrte.
    Seamus hatte schon vor langer Zeit beschlossen, sich nicht von seinem begrenzten biographischen Hintergrund einengen zu lassen. Er hatte alles gelernt, was es Wissenswertes über Ringwallanlagen und Kultstätten gab, Informationen, die er seinen Fahrgästen weitergeben konnte. Manchmal träumte er davon, seinen eigenen Kindern solche Dinge zu erzählen, doch im Moment musste er sich damit begnügen, dass sich seine Studien ausgezahlt und ihn zu einem der begehrtesten Fahrer des Greencastle gemacht hatten.
    Die Sängerin war Ende zwanzig, eine hübsche blonde Amerikanerin aus Nashville, die Jeans und Cowboystiefel trug und wegen ihres Konzerts in Irland war, aber auch, um ihren irischen Wurzeln nachzuspüren. Die Managerin war ihre Tante, schätzungsweise über vierzig. Sie hatte Seamus auf Empfehlung eines anderen Stars aus Nashville gebucht – Mark Riley, der im vergangenen Herbst zu Auftritten nach Irland

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