Eine Frage des Herzens
zu. Es ging dabei um die große Liebe zu dem Mann, von dem sie ihm gerade erzählt hatte.
»Sie ist größer als das Leben, größer als das Firmament,
größer als ewig und die Frage nach dem Warum …«
Sie lauschten, niemand sprach während der ganzen Rückfahrt zum Hotel. Die Musik traf Seamus mitten ins Herz, das seit jeher Kathleen gehört hatte. Als er in die Auffahrt des Greencastle einbog, sah er Kevin im Schatten stehen und mit seinem Handy telefonieren.
Als er den hinteren Schlag öffnete, blickte Randi-Lu ihm in die Augen.
»Danke für die Fahrt«, sagte sie. »Und für das Gespräch.«
»Keine Ursache. Und was Ihr Konzert betrifft …«
»Ich lasse Plätze für Sie reservieren. Vorne, in der Mitte.«
»Ich kann nicht ohne Kathleen kommen«, sagte er.
»Nein?« Sie schien nicht wirklich überrascht.
Er schüttelte den Kopf und deutete auf Kevin. »Es gibt aber ein anderes Paar, das sich schrecklich darüber freuen würde.«
»Kein Problem. Wir reservieren für Kathleen und Sie einen Platz in einem anderen Konzert, irgendwann später. Einverstanden?«
»Danke. Wir werden gerne kommen. Das ist ein Versprechen. Der Mann …«
Randi-Lu sah ihn abwartend an.
»… mit dem Sie nach Irland wollten. Er hat etwas verpasst, weil er nicht mit Ihnen gekommen ist. Er hatte offenbar keine Ahnung, was für ein Glückspilz er war. Hat sich die Chance seines Lebens entgehen lassen.«
»Noch ein Song.« Randi-Lu grinste. »›Das Glück erkennst du erst dann, wenn es dir einen Tritt versetzt.‹ Bei dieser Besichtigungstour habe ich reiche Ausbeute gemacht, Ideen für neue Songs, die vermutlich für eine ganze CD reichen. Nochmals danke, Seamus. Grüßen Sie Kathleen von mir, wenn Sie sie finden.«
»Mache ich.« Seamus reichte ihr zum Abschied die Hand.
Dann eilte er zu Kevin, um ihm von den Freikarten zu erzählen, als sein Blick auf ein Paar fiel, das auf der anderen Seite des Innenhofs stand. Sie beobachteten ihn, und zuerst dachte er, es könnte sich um seine nächsten Fahrgäste handeln. Vielleicht hatte das Greencastle ihn am Nachmittag für mehrere Touren gebucht. Die Frau hatte rote Haare, genauso leuchtend wie seine eigenen, und warme blaue Augen, die aufgeregt wirkten. Den Mann erkannte er auf Anhieb. Er trug noch dasselbe abgewetzte Tweedjackett wie vor ein paar Tagen, als er mit den Kellys zum Frühstück ins Hotel gekommen war.
Seamus überlegte, ob er zu ihnen gehen sollte. Aus ihren Blicken und der eindringlichen Art, mit der sie ihn beobachteten, folgerte er, dass sie ihn vielleicht als Fahrer engagieren wollten. Doch dann rief ihn Kevin, und Seamus konnte es kaum erwarten, ihm von den Konzertkarten zu erzählen. Als er sich umdrehte, war das Paar verschwunden.
Sie waren ins Auto gestiegen, und Tom war losgefahren, um die Ecke des Hotels. Der Anblick ihres Sohnes hatte sie beide aus der Fassung gebracht. Ganz gleich, wie oft sich Tom diesen Moment auch ausgemalt hatte, die Wirklichkeit war tausendmal überwältigender. Er beugte sich zum Beifahrersitz hinüber und schloss Bernie in die Arme. Tränen brannten in seinen Augen. Sie hatten ihren Sohn wiedergefunden, und die Ähnlichkeit mit seiner Mutter war unverkennbar.
Unfassbar, wie erwachsen er war. Die Jahre zu zählen war eine Sache, mit eigenen Augen zu sehen, wie die Zeit verging, eine andere. Als sie ihn das letzte Mal gesehen hatten, war er ein Baby; nun war er ein erwachsener Mann. Tom hatte beobachtet, wie er den Wagen unter den Portikus gefahren und den Schlag für seine Fahrgäste geöffnet hatte – eine Geste der Höflichkeit, mit Geschick und Würde ausgeführt. Tom hielt sich etwas auf seine Menschenkenntnis zugute und erkannte auf den ersten Blick, dass sein Sohn wohlgeraten war – an kleinen Dingen. Wie er beispielsweise im Schritttempo die Auffahrt hinaufgefahren war, um einen anderen Fahrer, der das Hotel verließ, per Handzeichen vorbeizulassen, verbunden mit einem freundlichen Gruß. Oder wie er den Schlag geöffnet und den Fahrgästen auf dem Rücksitz mit einem strahlenden Lächeln beim Aussteigen geholfen hatte – einem echten Lächeln, nicht aufgesetzt, um ein dickes Trinkgeld zu erhalten.
Tom hatte gesehen, wie das Lächeln sein Gesicht erhellte. Sein Fahrgast – eine attraktive junge Frau – hatte etwas zu ihm gesagt, das ihn bewog, sich zu ihr zu beugen und zu nicken. Dann hatte er auf einen der anderen Fahrer gedeutet, ungefähr in seinem Alter, der auf der gegenüberliegenden Seite des
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