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Eine Frage des Herzens

Eine Frage des Herzens

Titel: Eine Frage des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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provozierenden Blick. Er fuhr ungerührt fort.
    »Das Anwesen wird von einer Ordensfrau geleitet. Sie ist der Grund dafür, dass ich auf das Familienvermögen der Kellys verzichtet habe. Aber verrate ihr das bitte nicht.«
    »Wie sollte ich? Ich kenne sie ja überhaupt nicht. Und ich habe nicht die geringste Absicht, ihr einen Besuch abzustatten, darauf können Sie Gift nehmen.«
    »Sie gehört zu den Menschen, die zu gut sind für diese Welt. Beinahe zu gut, um wahr zu sein. Fürsorglich, bescheiden, geben nichts auf Äußerlichkeiten wie Kleidung oder das Auto, das jemand fährt. Ihr Lebenssinn besteht darin, anderen zu helfen. Weißt du, was ich meine?«
    Seamus antwortete nicht, aber er wusste es genau. Er dachte an Schwester Anastasia und einige der anderen Nonnen in St. Augustine’s. Dennoch, er würde Tom nicht die Genugtuung gönnen, die Frage zu bejahen, sich mit ihm gemein zu machen. Deshalb starrte er ihn schweigend an.
    »Diese Frau. Als wir jung waren, bevor sie in den Orden eintrat, war sie mein Ein und Alles. Trotz des Reichtums meiner Familie war ich nie einem Menschen begegnet, der so glücklich und zufrieden war wie sie. Als würde sie aus einer eigenen Kraftquelle schöpfen, Seamus. Kühles, klares Wasser, den ganzen Tag. Und das hatte nichts mit Geld zu tun.«
    »Sie haben beschlossen, einer Frau zuliebe auf das Familienvermögen zu verzichten?«, fragte Seamus ironisch.
    »Richtig.« Tom ignorierte Seamus’ Ton. »Sie ist ein wunderbarer Mensch, zu gut für diese Welt. Beinahe ein Engel.«
    »Es gibt nicht viele Menschen auf Erden, die sich mit Engeln messen könnten«, konterte Seamus. »Die Nonnen im St. Augustine’s vielleicht. Das sind schon fast Heilige, die mitten unter uns leben.«
    »Diese Frau … sie hatte eine Vision.«
    »Eine was? Sie meinen, wie in Lourdes?«
    »Genau wie in Lourdes. Die Jungfrau Maria erschien ihr in der Blauen Grotte im Star of the Sea.«
    Die Worte klangen in Seamus’ Ohren nach. Plötzlich erinnerte er sich – Geschichten, die die Runde gemacht hatten, vom Konvent bis zum Kinderheim. Von einer Nonne, einer der Schwestern von Notre Dame des Victoires, die in Amerika eine Vision gehabt hatte, bevor sie in den Orden eintrat. Irgendein Mysterium war damit verbunden, und das war auch der Grund, warum sie ins Kloster ging. Kathleen hatte die Geschichte geliebt. Sie hatte immer gebetet, Maria möge auch ihr erscheinen.
    »Warum erzählen Sie mir das?«, fragte Seamus.
    »Weil ich die Dinge in die richtige Perspektive rücken möchte. Damit du verstehst.«
    »Was soll ich verstehen? Warum ihr mich nicht wolltet? Es ist mir egal. Mein Leben ist in bester Ordnung, war es immer. Star of the Sea interessiert mich nicht, oder das Familienvermögen, das Sie in den Wind geschossen haben, oder warum Sie Rutland Fountain besuchen. Kapiert?«
    »Durchaus.« Tom stand da und nickte. Er hatte wieder den harten Blick, als ob er in Wirklichkeit überhaupt nichts mit ihm zu tun haben wollte, als ob er nicht gekommen wäre, um sich als Vater aufzuspielen und den Kontakt zu einem Sohn zu suchen, auf den er früher dankend verzichtet hatte. Nein, da schien noch etwas anderes zu sein.
    »Warum gehen Sie nicht endlich?«, stieß Seamus hervor.
    Tom atmete tief durch. Er griff in die Innentasche seiner alten Tweedjacke. »Ich bin schon weg«, sagte er. »Aber zuerst möchte ich dir noch etwas geben.«
    Seamus hatte nicht vor, irgendetwas von ihm anzunehmen, rein gar nichts. Er erwartete halb, dass Tom ein dickes Bündel Geldscheine hervorholte. Trotz all der schönen Worte über den Verzicht auf das Familienvermögen, Wasser und Durst glaubte er vielleicht, er könne seine Schuld mit Blutgeld tilgen.
    Aber es war kein Geld. Tom hielt ihm ein Foto von Kathleen entgegen.
    Seamus griff danach. Es war ein Schulfoto, kein Gruppenbild, sondern eine individuelle Porträtaufnahme aus dem Jahr, als Kathleen und er getrennt wurden. Sie lächelte in die Kamera – mit einer Wildheit und Unsicherheit in den Augen, die Seamus nur zu gut kannte. Ihre Wangen waren rosig, ihre Haut makellos. Und sie trug einen Zopf – lang, dick und dunkel baumelte er über ihrer linken Schulter. Seamus hatte ihn an jenem Morgen geflochten. Er sah die kleine Ausbuchtung, wo er eine der Haarsträhnen nicht genug festgezogen hatte.
    »Woher haben Sie das?«
    »Von Schwester Anastasia. Wir waren im St. Augustine’s, als wir nach dir suchten.«
    Seamus sah das winzige Loch am oberen weißen Rand, wo die Schwester

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