Eine franzoesische Affaere
Schwester einige Male auf
die Nerven gegangen war. Aber eigentlich war es ihr auch lieber so, weil sie ja
nun von diesen Aryanern wusste, denen sie nicht unbedingt nochmals über den Weg
laufen wollte. Wer wusste schon, ob sie das nächste Mal erneut so glimpflich
davon kommen würde?
Sie erhob sich mit einem Laut des Unmuts, der allein ihrer Gemütsverfassung
galt und griff entschlossen nach dem Plastikstäbchen, das flach auf der Ablage
um das Waschbecken lag.
MON DIEU!
Sid wurde leicht schwindelig und stützte sich mit der freien Hand am
Waschbecken ab. Ihre Knie zitterten regelrecht und sie fühlte sich, als wollte
sie ein leichter Schwächeanfall überkommen, obwohl sie inzwischen natürlich
wieder regelmäßig aß und weitestgehend auf Zigaretten verzichtet hatte, weil
sie in der Wohnung nicht rauchen mochte. Sie zupfte zwei Kosmetiktücher aus der
Box und hüllte das Stäbchen, das vierte seiner Sorte, darin ein, um es
ebenfalls in den Müll wandern zu lassen. Sie begegnete ihrem Spiegelbild mit
weit aufgerissenen Augen. Es konnte nur ein Fehler sein!
Das war es! Die ganze in einer kleinen Apotheke erstandene Vorratspackung hatte
einen Defekt. Es war unmöglich. Malcolm war seit Monaten der erste Mann, mit
dem sie intim geworden war. Und mit dem Zweiten, den sie (sehr kurz) in
Betracht gezogen hatte, war absolut nichts gelaufen, es sei denn, man konnte
schon von ein paar verbotenen Gedanken… Unsinn!
Sid lief in
das Schlafzimmer und zog das Kleid vom Bett, das darauf wartete, von ihr
angezogen zu werden. Da es einen seitlichen Reißverschluss hatte, konnte sie
das auch allein tun. Sehr umsichtig von Aubrey, der vermutlich auch zum
erlauchten Kreis der Geladenen gehören würde. Sie wohl weniger. Sie machte sich
wirklich Sorgen, dass Malcolm wegen ihr Probleme bekommen könnte. Es war
immerhin die Verlobungsparty seiner Schwester.
Würde sie die
einzige Sterbliche sein, die heute Abend die Schwelle des Hauses überschreiten
würde?
Zu dem Kleid gehörte auch ein silberdurchwirkter Schal, der ihre Schultern vor
der kühlen Nachtluft schützen sollte und mit ihren ebenfalls silberfarbenen
Schuhen harmonierte, die Sid mit ins Wohnzimmer nahm, wo sie auf Malcolm warten
wollte. Die Haare waren bereits hochgesteckt und geschminkt war sie auch schon.
Und nach ihrer kleinen Badezimmerorgie würde sie wohl den ganzen Abend nicht
mehr die Toilette aufsuchen müssen, es sei denn, sie brauchte einen Ort, an dem
sie sich vor all den Fremden verstecken wollte. Sie war niemals schüchtern
gewesen, doch hier ging es nicht allein um sie.
Sid hatte Theodors erste Reaktion nicht vergessen und auch nicht Malcolms
erklärende Worte. Sie war Realistin. Sie versuchte natürlich, allem etwas
Positives abzugewinnen, aber am heutigen Abend war sie einfach nur noch nervös.
Mit einer fahrigen Geste griff sie mit der Hand ins Leere, die sie um den
Skarabäus hatte schließen wollen. Sie trug ihn natürlich nicht zu diesem
Outfit, zu dem kein Gold passte und somit auch nicht Papas Geschenke, aber
Schmuck war gerade ihre geringste Sorge.
Sollte sie
zum Arzt gehen? Ein Bluttest war doch immer besser und würde Klarheit bringen.
Sie könnte es gleich am Montag machen. In eine anonyme Notaufnahme gehen und
bar bezahlen. Vielleicht brauchte sie einfach nur Vitamine oder so etwas. Sie
hatte schließlich monatelang nicht richtig für ihren Körper gesorgt und das
rächte sich jetzt wahrscheinlich.
Als Malcolm sich direkt vor ihr materialisierte, erschrak sie dennoch heftig
und ihr Herz schlug zum Zerspringen, weil sie Angst hatte, er könnte ihr an der
Nasenspitze ansehen, woran sie gerade gedacht hatte.
„ Bonsoir,
mon amour. “, begrüßte Sid ihn mit einem kleinen Lächeln, das nur halb
angestrengt über ihre Lippen kam.
„Wie du siehst, bin ich schon fertig und warte auf dich! Pas typique pour
une Parisienne*. “, versuchte sie einen kleinen ablenkenden Scherz und ging
auf ihn zu, um ihn mit einem zärtlichen Kuss auf den Mund zu begrüßen.
(*Gar nicht typisch für einer Pariserin!)
Sie spürte regelrecht, wie eine Hitzewelle in ihr aufstieg, die sie daran
erinnerte, wie heftig sie auf seine Nähe reagieren konnte, selbst wenn sie
nicht bewusst daran dachte, ihn zu verführen. Es schien beinahe so, als wollte
ihr Körper sich immerzu mit seinem verbinden. Aber heute Abend lag es wohl eher
daran, dass sie sich merkwürdig ertappt fühlte.
Es lag an allem nur nicht an der Sache, die sie vor Malcolm zu verbergen
versuchte.
„Oh,
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