Eine franzoesische Affaere
nicht sicher sein, nicht wahr? Juno ist tot und draußen im
Garten war es nicht hell genug…“
Sid schloss gequält die Augen, obwohl sie dann erneut dieses blasse Gesicht
sehen würde, das immer noch wie Juno aussah.
„Und dann
dieser… Gesang, ich weiß nicht, wie ich es sonst nennen sollte… Ich kenne die
Sprache nicht… Aber ich habe ihn schon einmal… mehrmals gehört. Ich habe
dir doch von diesem Traum erzählt… Ich habe ihn schon so oft geträumt. Dort
singen diese Frauen in den weißen Gewändern genauso und tanzen dazu… Habe ich
das jetzt alles geträumt? Bin ich einfach nur überspannt? Es tut mir leid… Das
alles muss dir vollkommen verrückt erscheinen. Ausgerechnet heute… im Haus
deiner Eltern. Habe ich nun deine Vorgesetzte verärgert?“
Sid richtete sich abrupt auf und umfasste Malcolms Oberarm mit einer Hand, um
sich an ihm festzuhalten, wobei sie ihn natürlich mit ihrer kleinen Hand kaum
die Hälfte davon greifen konnte.
„Hätte ich
nicht dort draußen sein sollen? Habe ich etwas gestört, was ich nicht hätte
sehen sollen?!“, fragte sie leicht panisch, weil sie sich nur zu deutlich an
die finsteren Gesichter der Krieger erinnerte.
Würde es helfen, wenn sie den Männern erklärte, dass sie überhaupt nicht viel
mitbekommen hatte? Dass sie nicht verstand, warum sie Gespenster sah oder diese
merkwürdigen Träume hatte, die immer in dem Biss des Vampirs gipfelten?
Man würde sie vielleicht auslachen, aber Malcolm damit wohl entschuldigen, n’
est-ce pas? Sie durfte nicht zulassen, dass ihre Unwissenheit ihm
Schwierigkeiten bereitete. Es würde auch nicht mehr vorkommen. Sie würde ihre
Zeit sinnvoll nutzen und so viel über die Immaculés lernen, wie ihr
erlaubt werden würde.
Ihre größte Angst war, für unwürdig befunden zu werden, an Malcolms Seite
bleiben zu dürfen. Das durfte nicht geschehen. Sid senkte betroffen den Blick,
weil sie in ihrer Angst wohl zu viel erzählt hatte. Solche Dinge hätte sie wohl
lieber für sich behalten sollen. So würde sie Malcolm nur davon überzeugen,
dass sie nicht stark genug war, um seine Liebe zu verdienen. Ihr Herz machte
einen nervösen Satz, weil ihr gerade jetzt einfiel, was sie vor der Party getan
hatte und was sie in ihrer Kosmetiktasche vor ihm versteckt hielt. Am liebsten
wäre sie aufgesprungen und hätte die Sachen ins Feuer geworfen, um es
ungeschehen zu machen. Das war nur ein weiteres Hirngespinst, das sie ihm auf
keinen Fall eingestehen durfte.
“Nein, nein!”
Malcolm zog die vollkommen aufgelöste Sid in seine Arme, um sie sicher darin zu
bergen und festzuhalten. Hier drin würde ihr niemand mehr ungebeten auflauern
und sollte es doch jemand wagen, dann konnte sie sicher sein, dass er sie
verteidigen würde. Koste es was es wolle.
“Die Frau war von keinem von uns eingeladen. Niemand kennt sie. Ich kann mir
nicht erklären, was sie hier gewollt haben muss. - Niemand ist dir böse,
Sidonie. Niemand, hörst du? Du hast nichts falsch gemacht. Es wird alles gut.
Das verspreche ich.”
Leichter gesagt als getan. Nur, weil ihm die vermummte Gestalt dort draußen
kein Begriff gewesen war, hieß das nicht, dass niemand sie kannte. Es konnte
sowohl eine einfache als auch eine komplizierte Lösung dieses Rätsels geben.
“Warum sie
allerdings tatsächlich wie diese Juno ausgesehen hat, weiß ich nicht. -Ich
fürchte, du hast dich nicht geirrt. Ich habe genau dasselbe gesehen wie du und
wenn du einen der Krieger fragst, werden sie dir diese Besucherin sicher ebenso
beschreiben.”
Im Gegensatz zu Sid sahen sie nämlich alle auch in der Nacht genauso gut wie am
Tag.
Sid seufzte
erleichtert und ließ sich in Malcolms Umarmung fallen. Sie hatte sich die
Ähnlichkeit also nicht eingebildet. Er hatte es ihr eben bestätigt. Sie konnte
sich doch noch auf ihre Wahrnehmung verlassen. Sie schmiegte ihre Wange eng an
seine Brust und lauschte dem Schlag seines Herzens. Manchmal sollte sie
wirklich erst denken und dann sprechen. Sie hätte doch gleich darauf kommen
können, dass die Ähnlichkeit reiner Zufall war. Vielleicht auch eine Projektion
ihrer unbewussten Wünsche, wenn sie eine psychologisch fundierte Erklärung
dafür haben wollte.
Malcolms
Gedanken wanderten zu Stanton, der noch mehr über Sid ausgegraben hatte, als
die herkömmlichen Recherchearbeiten ergeben hätten. Der Kerl war ja zu
gründlich in dem, was er tat. Da sollte man ihm doch glatt einen Besuch
abstatten und ihn höflich darum bitten, seine Mühen bezüglich
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