Eine franzoesische Affaere
Zitronenreiniger roch, mit dem er sie erst gestern
noch wieder auf Hochglanz poliert hatte. Die Wohnung lag über dem
Ladengeschäft, das er mit seinen Ersparnissen erworben hatte, am Rande eines
eleganten Wohnviertels. Er baute darauf, dass die baufälligen Häuser in der
nächsten Nachbarschaft von finanzstarken Investoren gekauft und saniert werden
würden. Einige der Gebäude würden sicher abgerissen werden, um schicken Apartmenthäusern
und Bürogebäuden Platz zu machen. Er selbst würde bis dahin sein Restaurant
aufgebaut haben, dann würden sie alle zu ihm kommen. Er arbeitete Tag und
Nacht. Sie wollte einfach nicht aus seinen Gedanken verschwinden und verfolgte
ihn sogar bis in seine Träume.
Er stellte die Espressokanne auf die gezündete Gasflamme und wartete auf das
leise Gluckern, das ankündigte, dass genug Druck auf die Ventile ausgeübt
wurde. Mit geübter Hand fischte er einen kleinen Topf aus dem Schrank und holte
Milch aus dem Kühlschrank, nachdem er die Kanne von der Flamme genommen hatte.
Gerade hatte er die Milch in den Topf gefüllt, als er ein leises Greinen hörte.
Es klang viel zu nah und überhaupt nicht nach Katzenmusik, die seine
Nachbarschaft zu nächtlicher Stunde oft genug mit atonalem Gejaule erfüllte.
Bertrand stutzte und stellte die Flamme des Gasherdes aus, bevor er auf die
Schwelle zum Flur trat und in die Dunkelheit lauschte. Da war es wieder. Es
klang wie ein Wimmern und er schoss den Gang entlang, um die Tür zum Badezimmer
in dem Glauben aufzustoßen, dass es Juno schlechter ging, als er bisher
angenommen hatte. Er vermutete Drogenmissbrauch, da in ihrem exklusiven
Freundeskreis jede Menge Pülverchen und Pillen kursiert waren. Das Licht war
aus und als er auf den Schalter drückte, konnte er niemanden entdecken, dafür
erklang nun lauteres Weinen in seinem Rücken, das sich ganz und gar nicht wie
das einer Frau anhörte. Es kam aus seinem Schlafzimmer…
„ MON DIEU! “
Bertrand riss
die dunklen Augen ungläubig auf, als er die Quelle der seltsamen Geräusche
entdeckte. Es war ein kleines Bündel auf dem Bett. Langsam setzte er einen Fuß
vor den anderen und blieb am Bettende stehen. Dort lag ein Säugling in dunkle
Tücher gehüllt.
Der goldene Anhänger, den Juno immer um den schlanken Hals getragen hatte, hob
sich mit mattem Glanz von dem dunklen Stoff ab und Bertrand griff nach dem
Umschlag, der neben dem Kopf des Babys auf der Tagesdecke lag. Ein Brief von
Juno.
Mit tauben Fingern fischte er das dünne Briefpapier heraus, welches sie mit
ihrer kindlich schwungvollen Schrift ausgefüllt hatte. Er meinte, ihre Stimme
in seinem Kopf zu hören. Sie sagte, es täte ihr leid, dass sie keine andere
Wahl hätte, dass er ihr verzeihen sollte.
…Kümmere dich gut um deine Tochter, um mehr bitte ich dich nicht. Sie gehört
allein dir! Ich weiß, du wirst sie beschützen und ihr all die Liebe schenken,
die ich nicht verdient habe…
„JUNO!“, rief
er bestürzt aus.
Der Bogen
flatterte unbeachtet auf den Boden und Bertrand rannte mit heftig klopfendem
Herzen durch seine kleine Wohnung, als gäbe es hier viele Möglichkeiten für
sie, sich vor ihm zu verstecken. Schließlich stürmte er auf die Straße und
rannte den Bürgersteig auf und ab, doch von Juno keine Spur. Sie war einfach
gegangen.
Es hatte keinen Sinn, sie mitten in der Nacht zu suchen, wenn sie schon einen
so großen Vorsprung hatte, also ging er wieder hinauf in seine Wohnung, wo er
sich auf das Bett setzte und das Kind aus der schützenden Decke wickelte,
nachdem der den Anhänger auf dem Nachttisch abgelegt hatte.
Das sollte seine Tochter sein?
Ein pausbäckiger Rauschgoldengel, über dessen rosige Wangen Tränen kullerten.
Bertrand hielt den Atem an und hob das Kind ungeschickt auf die Arme. Es war
winzig und so leicht! Ihre riesigen Augen starrten scheinbar ängstlich zu ihm
auf und es war dieser Moment, als er zum zweiten und letzten Mal in seinem
Leben vollkommen dem Charme einer Frau verfiel.
„ Calme-toi,
chérie. Du musst nicht mehr weinen. Sie kommt bestimmt wieder. Sie war nur
durcheinander. Ganz bestimmt!“, flüsterte er und bückte sich dann nach dem
Brief, um ihn zu Ende zu lesen.
Wenn er dem
Inhalt glauben konnte, dann hatte er dem kleinen Wesen gerade eine glatte Lüge
erzählt. Juno wollte ihn nie wieder sehen und ihr Kind genauso wenig. War sie
so ein leichtfertiges Frauenzimmer, dass sie ihr Baby einfach so im Stich
lassen konnte? Hatte er sich so sehr in ihr getäuscht?
„
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