Eine franzoesische Affaere
Lippenstift, der ihrem Teint so
gar nicht schmeichelte und ihre fahle Gesichtsfarbe nur kränklicher wirken
ließ.
Der Mann in der dunklen Kutte, der sie zu ihrem Herrn und Meister führte,
zeigte nicht das geringste Interesse an ihr. Sie war davon überzeugt, eine
Auserwählte zu sein, weshalb sich niemand hier traute, ihr zu nahe zu treten.
Ihr Herz klopfte in freudiger Erwartung heftig in ihrer mageren Hühnerbrust, an
der das gut fünfzehn Jahre alte Kostüm schlackerte, weil sie mit den Jahren
noch schmaler geworden war.
„ Andale,
princesita! Ya te esta esperando*! “, wisperte der Mann mit einem dreckigen
Unterton in der Stimme, als er eine schwere Tür für sie aufhielt und sie in das
dunkle Zimmer stieß, wo sie unsanft auf ihren Knien landete, nachdem sie
stolpernd das Gleichgewicht verloren hatte. Beide Hände auf dem kalten,
unebenen Steinboden abgestützt, starrte sie mit zurückgelegtem Kopf hinauf zu
der riesigen Bettstaat, von der sich gerade eine gottähnliche Gestalt erhob. So
sah sie es jedenfalls.
(*Mach schon, Prinzesschen! Er wartet schon auf dich!)
Die schwarzen
Laken glitten von seiner durchscheinenden weißen Haut, die sich über
ausgeprägten Muskeln spannte, so dass ihr der Mund vor Bewunderung trocken
wurde. Sie konnte nur noch keuchend atmen, weil er ihr so nah war, dass jede
Faser ihres Körpers auf ihn reagierte. Sie zitterte heftig, so dass man meinen
könnte, ihre Knochen gleich klappern zu hören, und ihre Brille rutschte dabei
ein Stück ihre raubvogelartige Nase hinunter, so dass sie wie eine verschreckte
Eule aussah.
Seine Augen waren zwei leuchtende rote Kugeln, die in ihr ein heißes Feuer
anzündeten, wie sie es noch nie in ihrem Leben gespürt hatte. Sie beobachtete
jede seiner Bewegungen mit atemloser Spannung und hätte alles darum gegeben,
ihn berühren zu dürfen. Sie war so auf seine Nacktheit fixiert, dass ihr der
raubtierhafte Blick entging, mit dem er sie bedachte, während er nach einer
schweren schwarzen Robe aus Samt griff, in die er sich nachlässig hüllte, so
dass ein großer V-Ausschnitt seine makellos weiße Brust enthüllte. Er sah
unwirklich aus, wie er da stand mit trotz kärglicher Beleuchtung glänzender
Haut und einem Gesicht einer Maske aus dem Karneval von Venedig gleich.
Trügerisch, grausam, abstoßend und doch faszinierend.
Er ging langsamen Schrittes auf sie zu und lächelte mit seinen blutleeren
Lippen beinahe nachsichtig auf sie herab, als sie sich mit dem ganzen Körper
vor ihm auf den Boden warf und den Saum seiner Robe küsste, als wäre er ein
hochgestellter Geistlicher ihres erbärmlichen Glaubens.
„Bringst du
frohe Kunde, mein Kind?“, fragte er mit täuschend sanfter Stimme, doch seine
Augen wurden zu schmalen Schlitzen, als sie schuldbewusst zusammen zuckte.
„Oh, muy
Señor mio*! Es tut mir so leid! Sie ist kaum noch zu Hause. Ich klopfe
immer und immer wieder. Sie verschwindet einfach. Ich sehe sie die Wohnung
betreten, aber nicht wieder hinaus kommen und ich passe wirklich auf. Und wenn
sie geblieben ist, dann war sie nicht allein. Hier… Hier! Ich kann es Ihnen
zeigen, Señor! “
(*Sehr geehrter Herr)
Die Stimme der Frau, die sich fast schon wie ein nervöses Vogelzwitschern
anhörte, kippte beinahe vor Aufregung und sie wühlte in ihrer altmodischen
voluminösen Handtasche aus Leder nach einem Stapel Bilder, die sie an ihrem PC
ausgedruckt hatte.
Ihr Mund verzog sich zu einem glücklich verzerrten Lächeln, als ihr Herr und Meister
sie ihr aus der Hand nahm und sich ihre Fingerspitzen wie zufällig berührten.
Ihre Zunge schoss einer Schlange gleich aus ihrem Mund und leckte begierig über
die angemalten Lippen, die sich nun trocken und spröde anfühlten.
„Ich konnte
doch nicht zu ihr, wenn er bei ihr ist. Er ist viel zu stark… Ich kann gegen
einen Feuerwehrmann doch nichts ausrichten. Außerdem verschwinden sie beide
einfach. Es ist nicht normal! Sie gehen hinein, kommen aber nicht wieder
heraus. Was soll ich tun? Was soll ich nur tun?“, jammerte die Frau, bis seine
Hand hervorschoss, sie am Haarknoten packte und ungnädig zur Seite warf, wo ein
leises Knirschen verriet, dass eines ihrer Brillengläser durch das Aufkommen
auf den harten Boden gesprungen war, doch es kam kein Laut über ihre Lippen. Er
war der Herr und sie seine begierige Dienerin. In ihre dunklen Knopfaugen trat
ein fanatischer Glanz. Bald… sehr bald…
„Dummes,
dummes Ding! Du verstehst gar nichts!“, murmelte der Mann mit einem
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