Eine franzoesische Affaere
sehr
an den erinnerte, der den Tod ihres Vaters angekündigt hatte.
Natürlich war es verrückt, so etwas überhaupt zu denken. Sie konnte nicht
hellsehen, aber sie war davon überzeugt, dass man Schwingungen empfangen
konnten, wenn es geliebten Menschen schlecht ging. Vielleicht war sie nicht
hypersensibel sondern einfach überdreht, weil Malcolm wohl kaum von ihr geliebt
wurde. Der Traum bedeutete nur, dass sie sich vollkommen lächerlich machte,
wenn sie so heftig auf einen Wildfremden reagierte, der sie ein einziges Mal
geküsst hatte. Und trotzdem wünschte sie sich, er wäre hier bei ihr und nicht
dort, wo die Schatten auf ihn gelauert hatten.
Sie war im Morgengrauen aus dem Bett geschlüpft und hatte mit einem Blick auf
ihren Plan festgestellt, dass sie eine Idiotin war. Sie hatte frei. Sie war
schließlich nur eine Aushilfe in dem Laden. Der Besitzer hatte ihre
Arbeitszeiten nur ausgedehnt, weil er mitbekommen hatte, dass sie wirklich gut kochen
konnte. Aber es machte nichts, sie würde trotzdem hingehen und einfach Rhonda
bei der Frühschicht helfen, soweit sie es zuließ. Sie wollte schließlich in
Ruhe in der Küche werkeln und etwas für Malcolm vorbereitet haben, falls er
wider Erwarten kommen sollte.
Nach einer kurzen Dusche, die sie wacher machen sollte, verließ Sid ihre kleine
Mietwohnung und lief zum Markt des Meatpacker Districts, wo es das beste
Fleisch in der Stadt gab. Ein bisschen fühlte sie sich nach Paris in die alten
Tage zurückversetzt, als sie noch ein kleines Mädchen ihren Vater zu seinen
Touren zu „Les Halles“ begleitet hatte. Der alte Markt mitten in Paris
existierte schon lange nicht mehr und war inzwischen in die Vorstadt verbannt
worden.
Mit zwei voll
beladenen Tüten betrat sie den Diner über den Hintereingang und überraschte
Rhonda beim Abstuhlen und Eindecken der Tische. Den Boden hatte sie gestern
noch gewischt, bevor sie endgültig nach Hause gegangen war.
„Was machst du
denn hier, Sid? Du hast doch frei.“ Rhonda stemmte die Hände in die mütterlich
breiten Hüften und maß sie mit einem zurechtweisenden Blick.
„ Bonjour ,
Rhonda. Ich… will nur… Ich lege das mal schnell in der Küche ab.“
Sid eilte in der Hoffnung davon, dass die gute Seele des Hauses ihr nicht
nachgehen würde, aber natürlich entkam sie den Fragen nicht, während sie die
gekauften Sachen in den Kühlschrank räumte und auf der Arbeitsfläche alles
bereit legte, was sie für die Zubereitung des Essens brauchen würde.
„Kindchen! Du
solltest deine Freizeit doch nicht in diesem Laden vergeuden. Du bist viel zu
jung, um dich irgendwo zu verschanzen. Und viel zu hübsch.“, ermahnte sie die
Mittvierzigerin kopfschüttelnd.
Sid zuckte
mit den Schultern und ging an ihr vorbei, um ihr leichtes Sakko in ihren Spind
zu tun, worunter sie ein schwarzes Shirt trug. Der leichte Sommeranzug aus
feinstem Garn war hellgrau und stammte aus ihrer „Trauerkollektion“, die sie
noch in Paris eingekauft hatte. Derzeit trug sie nur bei der Arbeit Farbe und
sie war im privaten Rahmen von durchgehendem Schwarz abgewichen, weil sonst
ständig danach gefragt wurde, wer denn gestorben sei.
In der Küche band sie sich eine Schürze um und begann damit, das eingekaufte
Rindfleisch zu façonnieren und in Streifen zu schneiden. Diese Tätigkeiten
beruhigten sie, es waren vertraute Handgriffe und Geräusche. Aus den
Augenwinkeln bemerkte sie, dass Rhonda immer noch am Küchendurchgang stand.
„Hast du
schon gefrühstückt?“, fragte Sid sie in einem versöhnlichen Tonfall, weil
Rhonda die einzige Kollegin war, mit der sie sich gut verstand.
„Hm, ich mach
den Laden fertig und du versuchst, mich mit ein paar Leckereien zu bestechen.
Aber dann will ich wissen, was das soll. Du kannst eine zweifache Mutter nicht
einfach an der Nase herumführen. Und sei dein Charme noch so französisch, meine
Liebe.“, grinste Rhonda zufrieden und verließ mit einem Wedeln ihres erhobenen
Zeigefingers die Küche.
Sid hatte so
früh kommen müssen, um den Salat noch auf die Spezialitätenkarte zu setzen. Es
würde sehr merkwürdig aussehen, wenn sie nur für einen Gast etwas Besonderes
zubereiten würde. So schlug sie zwei Fliegen mit einer Klappe, weil sie sowieso
nicht schlafen konnte und so wenigstens beschäftigt war. Und in Rhondas
Gesellschaft mehr als nur Kaffee trank. Sie hoffte, Malcolms Geschmack mit dem
knackigen Salat mit den marinierten Rinderstreifen mit einer scharfen Note
getroffen zu haben. Er war genau das
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