Eine franzoesische Affaere
aussah, als
hätte man sie in einem Märchengarten gepflückt. Dabei stammte sie aus einer
besonderen Züchtung seiner Mutter, die eine Vorliebe für das Geheimnisvolle und
Ungewöhnliche hatte. Ganz genau wie Sid.
Wenn sie noch einmal hereinkam, um den Rest der Stühle hochzustellen, würde sie
die nur für sie geschnittene Blume finden und auch die darunter liegende
Nachricht.
Lunch
morgen um 13 Uhr. Nichts mit Zwiebeln.
Überraschen Sie mich. M.
Sid räumte
die Küche auf und legte dann einen neuen Verband um, bevor sie zurück in den
Ladenraum ging. Sie war mit einem Mal so entsetzlich müde. Sie sollte sich
nicht so in Dinge hineinsteigern. Ihr Vater hatte sie doch oft genug ermahnt,
dass der Sturz aus so großer Höhe nur noch schmerzhafter enden würde. Sie war
aber kein unbedarftes Schulkind mehr, es war nicht ihr erster Kuss oder der
erste Mann. Aber das erste Mal, dass sie das Gefühl hatte, die andere Hälfte
ihrer Seele gefunden zu haben.
„ Non… non,
c’est pas possible! “, hauchte sie entsetzt.
Sie kannte ihn doch gar nicht. Er war ihr völlig fremd und hatte sie nur
geküsst, weil sie den ersten Schritt gemacht hatte. Wie sollte er sonst auf
solche Avancen reagieren?
Nach einem tiefen Atemzug verließ sie den Mitarbeiterbereich und ging in den
Laden zurück, um fertig aufzustuhlen. Sie tat es mit derselben
Entschlossenheit, mit der sie die Küche fertig aufgeräumt hatte. Selbst ohne zu
den Plätzen zu blicken, wo sie und Malcolm gesessen hatten, fühlte sie seine
Nähe noch, als würde er sich noch im selben Raum mit ihr aufhalten. Sie spürte
erneut die Wärme des Skarabäus auf ihrer Haut und sah an sich herunter, wo der
Käfer sie wütend anzuglühen schien. Die Flügel waren von einem kräftigen Rot. Rot
wie Blut .
Wütend zerrte Sid an der Kette und warf den Anhänger heftig beiseite, bevor er
noch mehr Schaden anrichten konnte. Sie fiel auf den Stuhl, den sie gerade
wegräumen wollte und vergrub das Gesicht in ihren Armen.
Sie wurde langsam verrückt. Schmuckstücke besaßen kein Eigenleben. Sie konnten
einem keinen Schaden zufügen. Sich die Tränen von den Wangen wischend erhob sie
sich und stolperte zu der Stelle, wo die Kette auf dem Boden liegen geblieben
war. Sie ging in die Hocke und hob die Kette an ihren zerrissenen Gliedern
hoch, um den Anhänger vor ihren Augen baumeln zu lassen.
Die Flügel waren weiß, wie immer.
Mit einem schweren Seufzen erhob sie sich vom Boden und steckte die Kette
resigniert in die Hosentasche. Sie war ein Geschenk ihres Vaters. Sie würde
gleich Morgen zu einem Juwelier gehen, um sie reparieren zu lassen.
Als sie
aufrecht stand, fiel ihr Blick auf den Tresen, auf dem eine weiße Rose lag. Sid
stockte der Atem und sie sah sich gehetzt um, doch es war niemand hier. Mit
spitzen Fingern zog sie die Blume am Stängel zu sich heran, worunter sie eine
Notiz entdeckte. Sie konnte nicht verhindern, dass ihr Herz vor Freude wild
pochte, dass er scheinbar zurückgekommen war, während sie in der Küche
gewerkelt hatte.
Er wollte Morgen wiederkommen. Vorsichtig nahm sie die Blüte hoch und bewunderte die einzigartigen
Blütenblätter, die sie so noch niemals gesehen hatte. Sie duftete lieblich und Sid
konnte nicht fassen, dass er sie für sie dagelassen hatte. Wusste er nicht, was
er mit dem Herzen einer Frau anstellte, wenn er durch diesen Panzer zartere
Gefühle durchblitzen ließ?
Sie sollte sich morgen krank melden. Sie sollte ihn am besten nie wieder
sehen. Sie sollte die Stadt verlassen.
Sid hob die Blüte an die Nase und atmete ihren Duft mit leuchtenden Augen tief
ein, um sie dann zu schließen und sich ihren Gefühlen zu ergeben. Sie würde
heute Nacht kein Auge zutun können. Und Morgen wahrscheinlich enttäuscht
werden. Malcolm hatte eine ganze Nacht, um wieder zur Vernunft zu kommen und zu
dem Entschluss zu kommen, dass es besser für ihn wäre, wenn er einen
Schlusspunkt setzte.
4. Et la Foudre tomba
(Franz. Und der
Blitz schlug ein)
Donnerstag,
27. September; mittags
Sid hatte
über Nacht wie vorausgesehen kaum ein Auge zugetan. Sie hatte sich einfach in
ihrem schmalen Bett auf die Seite gedreht und die Rose im Wasserglas
angestarrt, die vom hereinfallenden Mondlicht beschienen wurde und wohl dafür
gemacht war, weil sie gespenstisch schön aussah. Sie konnte nicht aufhören, an
Malcolm zu denken. Sie träumte sogar von ihm. Ein Traum, aus dem sie mit einem
entsetzten Schrei hoch geschreckt war, weil er sie in seiner Düsternis zu
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