Eine franzoesische Affaere
geraten und sie würde es nicht kampflos hinnehmen, dass
man ihr ständig den Boden unter den Füßen wegzog.
Wenn alles nur ein Hirngespinst war, dann konnte er sie ja nun, nachdem er ihre
Wunden gnädig versorgt hatte, wieder auf die Straße jagen. Dann konnte sie doch
einfach nach Hause laufen, im Dunkeln. Es gab ja gar keine Biester mit rot
glühenden Augen. Alles Einbildung! Hein?!
Malcolm ließ
die Hand sinken, mit der er die Kompresse auf die Impfwunde gedrückt hatte.
Immer noch nach außen hin unbewegt und seelenruhig nahm er ein Pflaster aus dem
Kasten mit den Versorgungsutensilien, um es auf Sids Arm zu kleben. Innerlich
war er so zwiegespalten wie nie zuvor in seinem Leben. Ihr die Wahrheit zu
sagen, wäre einfach. Es ließ sich sogar alles logisch und nachvollziehbar
begründen. Wenn man an einem Drehbuch für ein Fantasyrollenspiel schrieb
oder vorhatte, Rats Reloaded zu drehen.
Hinzu kam noch die Tatsache, dass er nicht nur die Geschehnisse vor dem
Lancaster Building vor ihr verborgen hielt sondern auch einen Teil von sich
selbst. Den Teil, den sie nicht verstehen würde oder von dem er glaubte, sie
würde ihn nicht verstehen. Es hatte keinen Zweck, sich ihr zu erklären. Sie
würde ihn für einen durchgeknallten Irren halten, der zu viele Schundromane
gelesen hatte und dann in deren abstruse Welt geflüchtet war. Dabei war er so
realitätsbezogen wie kaum ein anderer. Genau deswegen machte er nicht den
leisesten Versuch, Sid zu erklären, was sie gesehen hatte.
„Möchtest du
eine Tasse Tee?", fragte er, sich schon wieder erhebend und die Reste von
Spritze, Desinfektionsmaterialien und Pflasterpapier einsammelnd. Er warf alles
achtlos zurück in den Erste-Hilfe-Kasten und marschierte damit zielsicher
zurück ins Bad, wo er sich zunächst die Hände wusch und sich selbst mit
Unglauben und Abscheu im Spiegel betrachtete. Er sah so normal aus. Die Bestie
in ihm war wieder vollkommen verborgen. Malcolm bleckte die Zähne und fuhr die
oberen mit der Zunge nach. Nicht die kleinste Unebenheit. Zwei perfekt weiße
Reihen, als hätte sich ein Zahnarzt ganz besondere Mühe auf seine Kosten
gegeben. Doch sie waren von Natur aus so beschaffen. Dafür geboren, zuzubeißen.
Nicht immer roh oder um zu töten, sondern auch dafür, um das was ihm gehören
sollte, zu markieren. Zu brandmarken.
Sid .
Das Zahnfleisch über den oberen Eckzähnen schmerzte und seine schwarzen,
zweifellos geheimnisvoll zu bezeichnende Augen brannten. Malcolm nahm seinen
Zahnputzbecher und füllte ihn halb mit kaltem Wasser aus der Leitung. Was diese
Handlung bringen sollte, war ihm selber nicht ganz klar. Er sah sich beim
Trinken zu, stellte den Becher zurück an den angestammten Platz, rieb sich mit
beiden Händen über das bartschattige Gesicht und wünschte sich, er würde auch
äußerlich wenigstens einmal diese Schwäche zeigen können, die er in seinem
Inneren fühlte. Es wäre Sid gegenüber nur fair.
Andererseits: Wann war das Leben schon mal fair? Er hatte ihr Leben retten
müssen. Das war seine Aufgabe. Seine Bestimmung. Das hatte rein gar nichts mit
persönlicher Zuneigung zu tun. Gar nichts... wirklich nicht... niemals. Ohne sich selbst ein weiteres Mal im Spiegel zu betrachten und sich somit
auch noch offen bei einer Lüge zu erwischen, die zusätzlich an seiner
Standfestigkeit rütteln würde, ging er ins Wohnzimmer zurück und gleich in die
angrenzende, offene Küche.
„Suppe wäre
vielleicht auch nicht schlecht, oder? - Du hast dich ein wenig verfroren
angefühlt.", rief er ihr zu und holte einen kleinen Topf aus dem Schrank,
in den er Wasser laufen ließ. Er kochte mit Gas und die blaue Flamme unter dem
Kochgerät strahlte etwas Beruhigendes aus.
Er gab Pulver einer besonders guten Bouillon ins Wasser und rührte mit dem
Kaffeelöffel kurz darin herum, damit es sich schon mal sporadisch auflöste,
bevor er den Schneebesen von der Küchenleiste nahm und zum Aufschlagen benutzte.
Im Kühlschrank befanden sich frische Möhren und etwas Lauch. Malcolm hatte
binnen Sekunden eine Handvoll klein geschnitten. Fehlten nur noch Nudeln, um
den Magen satt zu kriegen. Auch davon fügte er einen halben, abgemessenen
Kaffeebecher in die mittlerweile sprudelnde Brühe. Sicherheitshalber stellte er
die Flamme kleiner. Er wollte in keinem Fall, dass es anbrannte oder
überkochte. Riechen tat es in jedem Fall schon mal nicht schlecht.
Als nächstes kümmerte er sich um den Tee. Das Wasser im gläsernen Kocher war
schnell erhitzt. Er
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