Eine franzoesische Affaere
nahm eine ebenfalls gläserne Kanne aus dem Hängeschrank mit
dem Geschirr und hängte drei Beutel einer Kräutermischung rein, die seine
Schwester bevorzugte, wenn sie bei ihm zu Gast war. Sie nannte es scherzhaft Malcolm-kann-mich-nicht-ärgern-Tee .
Musste wohl so etwas wie dieses Yogi-Krautzeug sein, das einen entspannen
sollte. Wenn es bei Fiona wirkte, würde es Sids Zustand sicher nicht
verschlechtern. Er selbst stellte sich eine Kaffeetasse unter seinen
Vollautomat neben dem Wasserkocher, der mit leisen, wohlsortierten Geräuschen
einen Kaffee für ihn brühte. Die Nudeln schwammen schon im sprudelnden Strudel
oben. Noch ein paar Minuten und sie würden gar gezogen sein. Zeit genug, um Sid
ihren Tee zu bringen. Der gerade eingehaltene Abstand zwischen ihnen, würde
wohl gereicht haben, um ihr Mütchen zu kühlen. Es war schließlich nur zu ihrem
Besten, ihr nicht alles frei heraus zu erzählen.
„Er ist noch
sehr heiß. Möchtest du Zucker?", fragte er nicht nur aus Höflichkeit, als
er die Tasse samt Untertasse vor sie hinstellte, sondern ganz
selbstverständlich, obwohl er ihre Fragen absichtlich ignorierte und sie ihm
genauso wenig antworten müsste, wenn sie auf sein kindisches Spiel eingehen
wollte. Doch genau das war es nicht. Kindisch.
Gut, er hatte die Kanne und seinen Kaffee absichtlich in der Küche gelassen, um
ihr weiterhin ausweichen zu können, aber das war doch nicht kindisch. Er wollte
ihr nur nicht noch mehr Gelegenheit geben, nach weiteren Spukgestalten zu
suchen und sich selbst keine, ihr noch einmal näher zu kommen.
Malcolm musste sie schützen. Um jeden Preis. Auch vor sich selbst.
Er wollte
nicht. Er wollte einfach nicht mit ihr reden!
Sid war leichenblass geworden, nachdem er sie wie ein distanzierter Arzt in
einer Klinik behandelte, der sich einen Dreck um ihr Wohlbefinden scherte. Er
kam ihr schon beinahe vor wie ein Zombie ohne jegliches Leben in sich. Er
behandelte sie schlimmer als ein unmündiges Kind. So wie ihr Vater Fragen nach
ihrer Mutter abgeblockt hatte, wenn sie wissen wollte, wie sie denn gewesen
war. Sie verdankte einen Teil ihrer Identität dieser Frau, wäre es so schlimm,
mehr über sie zu erfahren, wenn sie doch schon lange tot und begraben war?!
Wütend starrte sie seinem breiten Rücken nach, als er wieder in seine Küche
verschwand, um sich um seinen Kaffee zu holen, den Sid ihm gerade gerne über
den Kopf geschüttet hätte. Mit kaum beherrschten Gesten zog sie den Sweater
wieder an den richtigen Platz und knöpfte die Jacke mit zitternden Fingern zu,
wobei ihre Wangen zu glühen begannen, weil ihr die Knöpfe immer wieder
entglitten.
Mit steifen Bewegungen, gegen die ihr ganzer Körper protestierte, erhob sie
sich vom Sofa und griff nach ihrer Tasche, deren Riemen sie über den Kopf zog,
so dass er quer über ihrem Oberkörper lag. Es war ein Wunder, dass sie sie bei
ihrer überstürzten Flucht nicht verloren hatte. Kurz legte sie die Hand über
den dunkelblauen festen Leinstoff, als wollte sie erfühlen, ob der Inhalt nicht
verloren gegangen war.
„Ich gehe!“,
verkündete sie mit entschlossener Stimme und wandte sich von seinem Anblick ab,
der sie so wütend und schwach zugleich machte, dass sie ihm gerne irgendetwas
an den Kopf geworfen hätte, wenn hier auch nur eine einzige Kristallvase in der
Nähe gestanden wäre.
„Vielen Dank
für deine Mühen … Malcolm. Du hast deine Pflicht getan. Ich denke nicht,
dass es irgendeinen Sinn hat, wenn ich dich weiter mit meiner Anwesenheit
belästige.“
Und Gott bewahre, dass jemand sein Leben durcheinander brachte. Was
hatte sie sich nur dabei gedacht, irgendwo draußen zu sitzen und sich von
Ratten anfallen zu lassen? Es fehlte noch, dass er ihr Vorträge darüber hielt,
dass junge Frauen nach Einbruch der Dunkelheit gefälligst zuhause zu bleiben
hatten. PAH!
Sid sah sich orientierungslos um und steuerte dann den Ausgang mit steifen
Schritten an.
Tee und Suppe! Eine Frechheit!
In Gedanken folgte eine Schimpftirade der anderen, um sich zum Weitergehen zu
motivieren. Sie musste an ihrer Wut festhalten, er wollte sie nicht hier haben,
er wollte nicht mit ihr reden und überhaupt würde er froh sein, wenn sie aus
seinem Leben verschwand. Sollte er doch andere Jungfern in Not retten und ihnen
Spritzen verpassen. Sie würden ihm garantiert dankbar vor die Füße fallen.
Qu'il aille au diable*! Wo er hingehörte! Was waren schon ein Paar
dunkler Augen? Nichts, gar nichts!
(*Soll er doch zum Teufel
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