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Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Titel: Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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weichen Pfoten, draußen, am Marmorufer.
    Du scheinst ein schlauer Mensch zu sein, Sascha Grab, sagte Emilia Kaštja leise und schlug mir mit ihrer goldbesetzten Hand ins Gesicht. Blut floß mir ins Hemd.
    Ich bin nicht schlau, Emilia, nur verliebt wie der Wind.
    Ich fühle mich so sonderbar, wiederholte sie träumerisch.
    Die Dogge begann jämmerlich zu winseln, doch Milorad Borzo schwamm weiter.
    Ich gehe jetzt, Emilia Kaštja, ich muß noch Bauer Pedrić beerdigen, dem es im Herzen dunkel geworden ist.
    Ich wußte nicht, was jetzt werden würde, denn ich bin wirklich kein schlauer Mensch. Nur wie all die anderen Staubpuster und Himmelfresser, ich tue meine Arbeit, manchmal bleibt mir Fleisch zwischen den Zähnen hängen, manchmal weine ich ohne Grund und tue mir leid, dann wieder stolpere ich zwischen den Erdhügeln in meinem Friedhof herum und versuche die efeuüberwucherten grauen Grabsteine davon zu überzeugen, daß man es hier, selbst wenn es nicht ganz so gut ist, wie manche behaupten, ganz gut aushalten könne. Und dabei tönt in mir Radio Gibraltar. Wenn jemand das für einen Trick von mir hält, so sollte er bedenken, daß ich nie jemanden betrogen habe. Aber nicht, weil ich etwa so rechtschaffen wäre. Sondern weil mich die Lüge nicht interessiert. Und auch das Morden interessiert mich nicht. Höchstens, wenn man mich ermorden wollte, das schon, ein bißchen würde mich das vielleicht interessieren. Denn am meisten interessiert mich die Liebe.
    Am nächsten Tag fiel Emilia Kaštja zum ersten Mal in Ohnmacht. Man feierte den Namenstag eines Helden von Milenka Carica. Einige Birken, Bauernhäuser und Jungfrauen aus der Umgebung waren in Gold und in Silber gekleidet worden, an einigen altehrwürdigen Orten hatte man Kränze niedergelegt, und als von der Veranda des Restaurants Adria die Gewehrsalve zum Ehrensalut ertönte, glitt Emilia Kaštja langsam neben Predrag Nagy auf die funkelnden Fliesen hinab und blieb reglos liegen.
    Ihre Augen standen weit offen, als sähen sie Engel.
    Ihre Hände waren kalt, als berührten sie Engel.
    Ihre Beine waren steif, als träten sie auf Engel.
    Nur ihr Schoß war heiß, als habe sie während des Festes ständig an einen anderen gedacht, während Milenka Caricas Leute musizierten, während sie ihre üblichen Flüche ausstießen, während sie ihre Gewehrläufe leckten. Keiner wußte, was Emilia Kaštja hatte, nur ich, dabei bin ich kein schlauer Mensch. Sie musizierten ihr in die Ohren, rieben ihr die Brust mit Mentholwasser ein, wärmten ihr die Achselhöhlen mit Salz, träufelten ihr Honig auf die Scham, doch sie kam nicht zu sich. Erst einige Tage später erwachte sie, als ich endlich einen jungen Kämpfer namens Aljoša Papa begraben hatte und von der Arbeit derart müde geworden war, daß ich auf seinem Grab einnickte und mir eine Schnecke über die Stirn kroch.
    Es folgten sonderbare Wochen, und dabei bin ich, wie gesagt, kein schlauer Mensch. Emilia Kaštja verlor immer wieder das Bewußtsein, mal beim Tanzfest, dann beim Rezitierabend auf der Veranda des Restaurants Adria. Emilia wurde beim Tanzen ohnmächtig. Das Johannisbrot fiel ihr aus dem Mund, ihr Schatten und ihre Stirn wurden ohnmächtig, ohnmächtig wurde auf ihren nackten Schultern das strahlende Licht des frühen Nachmittags. Eines Tages kam Predrag Nagy zu mir. Auch da war ich gerade bei der Arbeit, wie gewöhnlich. Na klar. Ich hob gerade das Grab für Bora Klein aus, in dessen Körper sich der Wind verirrt und ihm zuerst die Zunge, dann die Hände und schließlich die Augen gemordet hatte. Der arme Bora Klein war dick gewesen, man mußte für ihn eine ganz schön große Grube schaufeln. Predrag Nagy stand neben dem frischen Erdhügel, er sagte nichts, starrte mich nur an. Ihm zu Füßen saß ein Hund, eine riesige schwarze Dogge.
    Ich höre, du hast ein Radio, Sascha Grab, sagte er schließlich.
    Sie haben richtig gehört, mein Herr, blickte ich zu ihm auf, dabei bin ich kein schlauer Mensch. Ich wußte nur, daß sein Blick mir nichts anhaben kann.
    Was ist denn das für ein Radio, Sascha Grab?
    Ich nenne es einfach nur Radio Gibraltar.
    Also, lächelte Predrag Nagy, das Todesradio.
    So kann man es auch sagen, Herr Predrag.
    Warum, wie kann man sonst noch sagen?
    Ich wünsche Emilia Kaštja gute Besserung, antwortete ich.
    Du bist ein schlauer Mensch, Sascha Grab, sehr schlau.
    Ich bin nicht schlau, Herr Predrag, ich habe in meinem Leben nur schon ziemlich viele Gruben geschaufelt, versuchte ich

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