Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten
jetzt tatsächlich schlau zu sein. Aber dabei hätte ich fast den kürzeren gezogen. Die behaarte Hand von Predrag Nagy senkte sich auf den Kopf der Dogge.
Hier ist dieser gute Hund, sagte er leise, sanft. Er heißt Slava Caesar. Du müßtest eine Nacht lang auf ihn aufpassen.
Ich schaute den Hund an wie Erde, in die man keine Grube graben kann.
Das tue ich gern, sagte ich leise.
Na, dann geh, Slava Caesar, sagte Predrag Nagy und gab dem Hund mit dem Gewehrlauf einen Klaps auf den Hintern. Aber das Tier machte sich steif. Es begann die Zähne zu blecken, besudelte mich mit weißem Geifer. So sehr Predrag Nagy sich auch abmühte, der Hund kam nicht zu mir, er blieb keine zwei Minuten, von einer ganzen Nacht gar nicht zu reden. Vielleicht weil er den Geruch des Todes nicht ertrug. Vielleicht weil er Angst vor mir hatte. Leise, wie der Himmel, tönte in mir Radio Gibraltar, zählte die Namen auf. Predrag Nagy packte mich am Hemdkragen und zischte mir aus solcher Nähe ins Gesicht, daß ich den Totenkopf sehen konnte, der in seinen goldenen Eckzahn eingraviert war.
Sehr schlau von dir, Sascha Grab!
Dann schlug er mich nieder und ging.
Dabei bin ich gar nicht schlau, ich liebe nur. Oder ich könnte auch sagen, mir gehört der Tod, und mir gehört die Liebe. Ich weiß nicht, woher ich die Fähigkeit habe, so zu lieben, so stark, und warum und vor allem weshalb manche, wenn sie etwas von der Kraft meiner Leidenschaft spüren, dies für Schlauheit halten. Ich sage nicht, daß ich etwas von Liebe verstehe. Wer das von sich glaubt, vermodert schon zu Lebzeiten vor lauter Klugheit. Auch ich verstehe nichts von Liebe, nur kann ich mich eben nicht zügeln. Denn ich sehe sogar den Toten an, wer in seinem Leben geliebt hat und wer nicht. Dieser wußte um seine Seele, jener ließ sie flattern, und dem dritten war sie zu nichts nutze. Ich bin verliebt, so sehr, daß Emilia Kaštja von dieser Liebe ständig in Ohnmacht fällt, denn sie vermag sie nicht zu ertragen. Ganz schutzlos ist sie geworden, und ob sie das wollte oder nicht, ob sie sich nach dieser Schutzlosigkeit sehnte, mir ist es gleichgültig. Sicher leidet auch sie darunter. Daß sie so sehr geliebt wird. Und ausgerechnet von einem Totengräber.
Emilia Kaštja ging auf den Markt und fiel in Ohnmacht.
Sie lauschte den Gedichten von Milorad Borzo und fiel in Ohnmacht.
Sie spielte mit Slava Caesar und fiel in Ohnmacht.
So ging das. Predrag Nagy ließ für viel Geld Ärzte aus dem Ausland kommen, aber auch sie konnten dem Mädchen nicht helfen. Allenfalls murmelten sie, daß ihr eine Luftveränderung guttäte. Eine Reise nach New York, nach Den Haag, ein Tag in Sarajevo, das gerade wieder aufgebaut wurde. Schließlich kam Predrag Nagy wieder zu mir. Der Militärjeep fuhr auf den Friedhof, rollte über einige Grabhügel. Predrag Nagy entstieg ihm, schön wie ein König.
Ein schlauer Mensch bist du, Sascha Grab, rief er.
Ich bin nicht schlau, Herr Predrag, keuchte ich aus der Tiefe des Grabes. Leise, wie der Himmel, tönte in mir Radio Gibraltar. Predrag stieß mir Erde ins Gesicht.
Wenn Emilia Kaštja noch einmal in Ohnmacht fällt, gebe ich dich Slava Caesar zum Fraß.
Er zündete sich eine Zigarre an, schnippte das Streichholz in die Grube. Ich wußte, daß das eine leere Drohung war. Slava Caesar würde von mir nicht einmal so viel wie ein kleines Kinderherz abbeißen, so sehr widere ich ihn an. Und dann hatte ich das Gefühl, daß auch Slava Caesar verliebt ist.
Ich verstehe, Herr Predrag, nickte ich trotzdem.
Ich wußte nicht, was werden würde. Ich plante auch nicht, ich wartete nur, denn ich war so verliebt, daß ich mir dachte, Warten genügt. Und eines Tages mußte Predrag Nagy dringend in den Süden reisen. Seine Geschwister riefen ihn, die von den Bergen begraben zu werden drohten, vor deren Gärten Feuer aufflammten, aus deren Seen die Wellen gestohlen wurden. Predrag Nagy tanzte eine Nacht durch, ließ sich eine hungrige Wildkatze in den Sack nähen und einige Bienen in den Schnurrbart kämmen, dann ging er. Vom Friedhof aus sah ich, wie die Militärjeeps aus dem Hof fuhren. Schüsse krachten, Gegröle, dann wurde es still. Es war Vollmond. Leise tönte Radio Gibraltar. Und ich beerdigte, denn ich mußte beerdigen, doch einige Tage später torkelte Emilia Kaštja zittrig, schwindelig, halb ohnmächtig auf den Friedhof. So lange hatte ich warten müssen. Doch nicht länger. Es war Nacht. Vorwurfsvoll blickte Emilia Kaštja mich an. Ihre Lippen
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