Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten
ihren Körper mit Zuckerwasser begießt, sich dann unter den vor Hitze erstickenden Himmel legt und wartet, bis die Schmeißfliegen und Wespen sie über und über bedecken. Ihr Haar hat sie sich schon vom Friedhofswächter kämmen lassen und von der Hebamme. Jetzt geht sie mit Predrag Nagy, doch besonders glücklich scheint sie nicht zu sein.
Unser Predrag Nagy war einer der wichtigsten Leute von Milenka Carica und ein echter Held. In Jakulevo war er sehr aktiv gewesen, er hatte lange nur mit einer Flinte in den Bergen um Sarajevo gelebt, im Sommer ging er auf Haifischjagd an der Adria, und es war ihm gelungen, die Schmugglerfürsten auf seine Seite zu bringen. In unserer Gegend gehörte ihm alles, die Kirche, der Friedhof, die Bibliothek und das goldgeschmückte Restaurant Adria. Predrag Nagy war ein derart großer Held, daß er vor Jahren sogar Schriftsteller gekauft hatte, noch dazu, wie man gern sagt, Schriftsteller unterschiedlicher Stilrichtungen, moderne und solche, die um die althergebrachten Worte wissen, gelehrte und intuitive, solche, die der Weisheit, andere, die der Sinnlichkeit zugetan waren. Predrag Nagy hatte sie gekauft, und seinen Blick, anders kann ich es nicht sagen, ließ er in die Seelen dieser Schriftsteller einziehen, denn niemand in unserer Gegend hatte einen schöneren Blick als Predrag Nagy. Sein Blick heilte Wunden, die aber, war Schmerz vonnöten, aufbrachen und purpurrot pulsierten, als wollten sie gleich entschweben. Predrag Nagy läßt es den Schriftstellern gutgehen, er kümmert sich um sie, wenn sie krank werden. Mit seinem Blick schlägt er ihnen Wunden, dann heilt er sie wieder. Wenn ihre Seele leidet, was bei Schriftstellern häufiger vorkommt, singt er für sie und prügelt sie, bis sie sich beruhigen und in einem stillen Kellerraum des Hotels Adria von neuem zu schaffen beginnen, ganz tief unter der Erde, fast wie im Leib von Milenka Carica.
Auch damals war ich gerade bei der Arbeit, ich erinnere mich genau. Bis zu den Knien stand ich in der Erde, als mein Gesicht von etwas sehr, sehr Feinem berührt wurde. Als hätte sich aus dem Stoff des müde gewordenen Abendwindes ein glänzender Faden gelöst. Ich ließ den Spaten fallen und wischte meine Hände an der Hose ab. Vorsichtig tastete ich über mein Gesicht. Ein langes, rotes Haar war an meine Stirn geweht und klebte dort fest.
Ha, lachte ich, ha, ha.
Emilia Kaštja hatte ein Haar verloren. Ich wünschte das Grab zum Teufel und rannte zu ihr. Das war natürlich keine leichte Sache. Zäune, Wächter mit Hunden, Neugierige überall, still, mit tödlichem Lächeln. Einem Wächter mußte ich versprechen, daß ich ihn beerdigen würde. Ein anderer Beamter befahl mir, wenn er sterbe, solle ich ihm heimlich die Bilder seiner Feinde mit ins Grab legen, damit er auch dort unten jemand habe, den er hassen könne. Endlich betrat ich den Hof des Restaurants Adria. Emilia Kaštja tanzte auf der Veranda und kämmte sich dabei. Ihr Blick streifte mich kurz.
Sie hatte als Kriegshure angefangen. Jetzt schaut sie an der Seite von Predrag Nagy in den Himmel.
Du erwartest sicher reiche Belohnung, Sascha Grab, sagte sie sofort, als ich vor ihr stehenblieb.
Ja, Emilia Kaštja, Belohnungen interessieren mich, sagte ich leise.
Ich fühle mich so sonderbar in letzter Zeit, sagte sie.
Sie starrte mich forschend an. Sie versuchte, mich zu durchschauen, wie man so sagt, meine Ziele zu ergründen. In mir tönte leise, wie der Himmel, Radio Gibraltar. Das Mädchen wühlte nervös in seinem Haar.
Ich habe Gold, soviel ich will.
Ich weiß, Emilia Kaštja, sagte ich.
Wenn ich will, beten alle Soldaten für mich.
Ich weiß, Emilia Kaštja.
Im Restaurant Adria erklang plötzlich Musik. Milenka Caricas Leute musizierten unter Tränen, wie es neuerdings üblich ist. Ein Schriftsteller, ich glaube, sein Name war Milorad Borzo, denn ich hatte schon einmal einen Verwandten von ihm begraben, stieg gerade in den gekachelten Pool des Restaurants. In die Kacheln waren die Namen von Milenka Caricas Helden eingebrannt, und der Anblick war phantastisch, denn es war, als schwömme der massige Milorad Borzo mit dem behaarten Rücken zwischen den lebendigen, lebenden Namen wie in einem Schwarm schillernder Goldfische. Niemand soll glauben, man könne die Vergangenheit nicht schmücken oder angenehm gestalten. Sicher kann man das. Milorad Borzo reckte beim Schwimmen den Hals aus dem mit goldglänzenden Namen bemalten Wasser. Eine schwarze Dogge folgte ihm auf
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