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Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Titel: Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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wiederholte er wieder und wieder.
    Plötzlich bückte er sich zu mir. Er bemühte sich zu flüstern, damit nur ich es hörte.
    Sag, Sascha Grab, wie machst du das! Ich bitte dich, sag es mir! Wenn er einmal ohnmächtig würde, könnte ich ihm vielleicht entfliehen.
    Radio Gibraltar tönte in mir, wiederholte ständig den Namen Emilia Kaštja. Motorengedröhn und wilde, traurige Musik waren aus der Nähe zu hören, möglich, daß Predrag Nagy mit seinem Gefolge zurückgekehrt war. Der Held war zurückgekehrt, die Berge stehen fest, in den Gärten ist es wieder still, und auf den Seen wogen sacht die Wellen. Jetzt also muß ich Emilia Kaštja beerdigen. Und wie ich unter den Körper des Mädchens griff, näherte sich die Fratze des Hundes. Slava Caesar starrte Milorad Borzo an, den Schriftsteller.
    Milorad Borzo, Milorad Borzo, Milorad Borzo, hörte ich aus dem Kopf des Hundes.
    Und Slava Caesar weinte dabei.

Vera Domitun
    Seit Wochen geht Vera Domitun im ganzen Dorf damit hausieren, sie habe ihren Mann, Petre Domitun, meinetwegen verloren. Sogar die Blätter sind naß von ihrem hemmungslosen Gegeifer. Seit wir Petre Domitun nicht mehr vor der Dede-Kneipe fluchen hören, seit er im Cambrigde-Polizeigarten keine Grashalme mehr ausreißt, seit er nicht mehr pfeifend beim rosenbekränzten, stachligen Eingang zum Friedhof steht, seitdem ist die Kirche stumm, und niemand will die Glocken läuten. Niemand ist scharf darauf, an einem beschissenen Strick zu zerren, an dessen Ende so ein Bimbam zu Gott stottert.
    Unsere Kirche ist stumm und kalt.
    Ich aber bin verliebt, weil ich noch nicht begreifen kann, daß es sich lohnt, ohne Seufzen zu leben. Ich habe es auch mit ruhigerem Herzen versucht, doch es ging nicht. Die Leute sagen, sie würden die Glocken nicht läuten, solange sie nicht wüßten, was mit Domitun geschehen sei, ob man ihn ermordet habe, ob ihm ein Unglück zugestoßen oder ob er etwa als Experte für Spielautomaten nach Bukarest gegangen sei, eine der Dummheiten, mit denen er in seinen unbeherrschten Momenten gedroht hatte. Möglicherweise hätten ihn die Ungarn entführt und hielten ihn gefangen, hatte ich in der Dede-Kneipe zischeln hören. Mein Nachbar ist Julek Bambam, ein Polizist, den wir nach dem großen Scheiterhaufen im Dezember hatten totschlagen wollen, doch als einer der jungen Schweinehirten die Keule gegen ihn erhob, setzte sich eine krächzende Krähe auf Juleks Schulter, und so schonten wir sein Leben, mehr noch, wir ließen zu, daß er seinen Posten behielt. Mein anderer Nachbar ist besagter Petre Domitun. Das heißt, er war es, denn inzwischen ist er unauffindbar.
    Julek war ein äußerst schlauer Mensch, denn er antwortete nie, er stellte nur Fragen.
    Ob ich gehört hätte, fragte er, daß aus Galizien eine Ladung Spielautomaten nach Süden unterwegs sei, nach Kosovo Polje?
    Ich habe davon gehört, Herr Julek Bambam, oder auch nicht, antwortete ich vorsichtig.
    Na, aber daß der Krieg vorbei ist, das werde ich doch gehört haben?
    Oh, ich habe gehört, nickte ich, daß es wahr sein soll.
    Julek Bambam musterte mich argwöhnisch.
    Und ich weiß auch, setzte ich leise hinzu, daß die Fliegen im Herbst verrückt werden.
    Im allgemeinen habe ich kein Glück bei Frauen, wobei man sagen muß, daß ich mir manchmal eine besorgen will, wie zum Beispiel neuerdings Vera Domitun, die Frau des verschwundenen Glöckners. Sie trägt einen Seidenschal um den Hals, ihr Hintern ist wohlgeformt, ihr Busen ansehnlich. Es tat mir gut, wenn die Fliege sich auf mein Gesicht setzte, gleich fühlte ich mich stärker. Es ist meine Fliege, ich kann sie von anderen unterscheiden. Dabei ist sie nur eine gewöhnliche Stubenfliege. Sie wohnt in meiner Küche, verweilt oft auf meinem Körper, auf meiner Hand, auf dem Hals oder dem Gesicht. Auf meine Unterlippe setzte sie sich zum ersten Mal in jenem Frühling, als ich merkte, daß Domitun beim Glockenläuten mogelt.
    Mein Gott, sagte ich, und schon saß sie auf meiner Unterlippe.
    Mein Gott, sagte ich leise, vollkommen erschüttert.
    Zzz, zzz, antwortete die Fliege.
    Petre Domitun läutete auf betrügerische Weise.
    Ich fragte Julek Bambam, ob er es für möglich hielte, daß auch wir etwas von der Ladung aus Galizien abbekämen. Der Polizist lächelte geheimniskrämerisch, wie hinter einem Taschentuch hervor. Sein Blick schweifte über meinen Garten hinweg. Seit der Glöckner verschwunden war, hielt sich Vera Domitun öfter im Hof auf. Sie tat, als ginge sie einer Arbeit

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