Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten
Witzeerzähler engagieren, und der werde ich sein, mein Herr. Das ist mein Schicksal, wenn Sie wollen, meine Bestimmung.
Anna-Mária Mohács kann nicht ausschließlich zu Ihnen gehören, gurgelte Pater Lam unter seinem Tisch hervor.
Aber zu meinen Witzen schon, nickte ich.
Wir werden Sie benachrichtigen, keuchte Pater Lam, vor Lachen erstickt, und bat mich flehentlich, endlich zu gehen.
Am Nachmittag streifte ich wieder nur in der Stadt umher. Es war Mai. Die Linden und Akazien blühten wie wild. Vom Pappelflaum waren die Straßen wie verschneit. In den Kleingärten blühten Tulpen. Seit einigen Wochen hörten wir täglich die Bomber, wie sie zum Hof von Milenka Carica zogen. Der Himmel begann dann sofort zu röcheln und zu ersticken, und jetzt nahte dieser Zeitpunkt. Es dämmerte. Aber ich ging nicht nach Hause, wie es sich vielleicht gehört hätte, obwohl ich wußte, daß Dimitris Kontandis gerade dabei war, seinen Bauch immer wilder zu streicheln. Ich ging ins Theater, in eine Vorstellung, die von Politik, Kabale und Intrige handelte und in der unablässig Bomber über den auf der Bühne umherstreifenden, ewig überlebenden Falstaff hinwegdonnerten. Ich habe mir diese Vorstellung ausgesucht, denn wenn ich die kreischenden Bomber von einem Platz im Zuschauerraum aus höre, verstehe ich die Geräusche erst und begreife, was sie bedeuten, ich zittere vor Angst und bin erschüttert. Doch bin ich unfähig, sie im realen Augenblick zu verstehen, das heißt draußen auf der Straße, auf einem Platz, wo es nach Lindenblüten duftet, begreife ich ihre Bedeutung nicht, ich empfinde weder Angst noch Erschütterung, allenfalls ist es verständnisloses Staunen, das sich meiner bemächtigt. Sollte jemand an diesem ziemlich lächerlichen, man könnte sagen, witzigen Umstand zweifeln, so stelle er sich einfach vor das Gebäude eines Theaters, über das gerade die Bomber hinwegjagen, begebe sich dann hinein und höre sich die künstlerisch gestalteten Bombardierungen an. Er wird verstehen, worüber ich meine Witze mache. Damit soll nur gesagt sein, so lächerlich es auch klingen mag, daß ich für die Kunst Partei ergreife.
Zu Hause empfing mich mein Freund Dimitris Kontandis. Er war aufgewühlt und unruhig, wie das Gehöft von Milenka Carica.
Ist sie wirklich so schön, fragte er sofort, und ich wußte, daß er auf Anna-Mária Mohács anspielte.
Wie die schönsten schwulen Geliebten, sagte ich, dabei hatte ich die teure Henkerin überhaupt nicht gesehen.
Erzähl von ihr, drückte mein griechischer Freund mir den Arm.
Anna-Mária Mohács ist gerecht und schön wie die angespuckte Welt, sagte ich. Da ich es mir nicht anders hatte denken wollen, sagte ich die Wahrheit. Bei ihr sitzt ein kleines, dickes Geschöpf, das sich in einem leeren Zimmer hinter einem leeren Schreibtisch herumdrückt. Frau Mohács liebt Witze. Sie ist ganz verrückt danach, Dimitris. Ja, sie mag sie nicht nur, sie sammelt sie auch. Nur hat sie noch nie gelacht. Glaube ich.
Du verschweigst mir etwas, sagte mein griechischer Freund und räusperte sich.
Sie kennt alle Hymnen der Welt, flüsterte ich.
Da riß mir der erregte Dimitris Kontandis die Kleider bereits mit den Zähnen vom Leib. Aber ich hielt sein Gesicht sanft mit beiden Händen fest. Nein, mein teurer Dimitris.
Dazu bin ich nicht mal im Spaß fähig. Ich bin in Anna-Mária Mohács verliebt. Mein griechischer Freund saß enttäuscht auf der Bettkante, zog kräftig an der Tequilaflasche. Draußen dröhnte, brummte der Himmel immer noch.
Wollen wir Spazierengehen, Béla Világos, fragte er mich – das war der Name, unter dem er mich kannte.
Aber sicher, mein teurer Freund, wir können sofort gehen, rief ich und zog ihn förmlich hinter mir her. Im Treppenhaus lag der Dreck bereits knöcheltief. Vor dem Haus stand Pater Lam und zeigte seinen Leuten, wohin sie den Unrat streuen sollten. Aber es war, als wären diese Unmengen an Abfall aus dem Sack der Nacht auf die Straße gefallen, Schicksale und Verträge, Steuererklärungen und Ausweise, zerrissene Fahnen, Berge von Schuhen und Kinderspielzeug.
Anna-Mária Mohács wünscht Sie zu treffen, sagte er leise.
Jetzt sofort?
Unverzüglich, mein Herr.
Ich näherte mich dem fleischigen Gesicht des Sekretärs.
Es ist doch nichts passiert, Pater Lam, oder?
Ich weiß nicht, József Trianon – der Sekretär nannte mich bei einem meiner Künstlernamen. Er schüttelte den Kopf.
Ich weiß es wirklich nicht. Ich weiß nur, daß Anna-Mária
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