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Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Titel: Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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Mohács ganz aufgewühlt ist, mein Herr. Ich habe ihr ein paar Ihrer Witze erzählt, und sie hat sie nicht verstanden.

Petruša Carica
    Milenka Carica hatte drei Töchter, aber nur die kleinste, Petruša Carica, konnte nicht schwimmen. Vielleicht weil Milenka Carica beschlossen hatte, ihre Tochter unschuldig zu verheiraten und ihr von der schmutzigen, ausgehungerten Welt nicht mehr als unbedingt nötig zu zeigen, damit sie ihr ganzes Leben lang singen könne. Die arme Petruša Carica durfte nicht sprechen. Selbst die einfachsten Sätze mußte sie singend und trällernd äußern. An ihrem Körper durfte keine Behaarung wachsen, sogar auf ihrem Venushügel wurde der blutfarbene, weiche Flaum ausgezupft. Sie durfte nicht ins Licht der Abenddämmerung sehen, ihre Müdigkeit mußte sie verbergen. Leidenschaft aber hatte sie reichlich mitbekommen. Ich selbst war Zeuge des Vorfalls, wie ihr ein Granatapfel aus der Hand glitt. Die Frucht rollte in eine kleine Gruppe von Kriegsversehrten. Diese unmöglichen Gestalten vertrieben sich die Zeit immer bei den Leuten auf dem Markt, spielten Karten, tranken, spielten Schach und bettelten, und mit grauen Gesichtern drehten sie sich eine aus ihrem Duvan von der Kriegsrente. Petruša Carica, ohne zu bedenken, unter was für Volk sie sich mischte, rannte erschrocken der Frucht hinterher, ließ sich auf die Knie und suchte hektisch zwischen den Krücken, Beinstümpfen und vollgespuckten Lumpen herum. Sie trug übrigens immer einen Korb mit Deckel am Arm, ihr Schritt war beschwingt, ihr Blick aufmerksam, wenn auch nicht von dieser Welt, und ausschließlich auf die ausliegenden Waren, das Obst und das Gemüse geheftet. Petruša Carica war ein häßliches Mädchen, und mir gefiel besonders, daß sie sich dennoch nicht nach Schönheit sehnte. Sie sah einen Haufen ungarischer Jabuka und wählte dann lächelnd einen aus, auf dessen den Blicken verborgener Seite bereits der Fleck der Fäulnis bräunlich schimmerte. Den Früchten konnte sie die Würmer heraussingen. Manchmal blieb jemand vor ihr stehen, ein Fremder mit schlechten Zähnen oder der Dorftrottel mit rasiertem Nacken, und begann mit lauter Stimme, ihre Mutter, die teure Milenka Carica zu beschimpfen. Petruša Carica schaute ihn nur sanft an, sie verstand die Flut von Flüchen, Anschuldigungen und diversen Abstrusitäten nicht, vielleicht hat sie nicht einmal gesehen, wie die beiden Musiker, die sie immer auf den Markt begleiteten, den Unglücklichen zu Boden schlugen.
    Es war nicht schwierig, das Mädchen zu verführen. Ich sagte ihr nur, daß ich ihr beibringen würde, auf dem Wasser zu schweben. Seit vor ein paar Jahren die Leichen von Menschen herausgefischt werden mußten, badete niemand mehr im Teich von Kupatila, außer Milenka Carica, die sich dann immer ihre Festtagsprothese anschnallen ließ und im Gummireifen eines ausgedienten Militärjeeps sitzend von den langsamen Strömungen des Meerauges aufs Wasser hinausgetrieben wurde, während ihr die Musiker am Ufer aufspielten. Milenka Carica weinte klagend und sang von einem Schwan. Vor dem Massaker war der Teich von Kupatila ein beliebter Ferienort gewesen, doch heute waren die Fischerstege zerfallen, die Datschen am Ufer abgetragen oder niedergerissen, das Ufer war verschlammt und stank.
    Auch an diesem Tag kaufte Petruša Carica Obst für ihre Schwestern. Ihre Musiker trotteten hinterher und spielten leise auf ihren Geigen. Petruša Carica feilschte singend, was natürlich kein echter Handel war, denn die Bauern wußten genau, mit wem sie es zu tun hatten, und so senkten sie lachend, zähneknirschend die Preise. Nur einer, ein gewisser Imre Portinkó, machte vor seinen Melonen eine abwehrende Geste, die seien nicht zu verkaufen. Die Ware sei schon vergeben. Petruša Carica wunderte sich. Sie ließ ihren Korb fallen und fragte summend, aber guter Mann, warum gehen Sie zum Markte dann, wenn sie nichts verkaufen, ach, warum tun Sie so, als würden Sie verkaufen, worauf Imre Portinkó mißmutig knurrte, das sei seine Sache und er schulde niemandem eine Erklärung. Es ging das Gerücht, seine Familie sei vor einigen Jahren aus dem Meerauge geborgen worden, und der unglückselige Bauer warte darauf, daß im Gewühl der Käufer plötzlich seine Frau und seine drei Kinder auftauchten, damit er ihnen die süßeste Melone aufschneiden könne. Seit er seine Familie verloren habe, biete Imre Portinkó seine Ware feil, aber nie verkaufe er jemandem etwas. Die Musiker hatten aufgehört

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