Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten
zu spielen. Während sie auf Imre Portinkó eindroschen, trat ich zu dem Mädchen. Petruša Carica verfolgte zerstreut die Szene und wollte gerade weitergehen. Wie zufällig stieß ich sie an.
Ich bringe Ihnen das Schwimmen bei, Petruša Carica, flüsterte ich und hauchte ihr ins Gesicht, so nah kam ich ihr.
Wer sind Sie, trällerte sie, die Augen weit aufgerissen, und an ihrem Blick erkannte ich gleich, daß sie immer mit einem von Honig triefenden Kruzifix zwischen den Schenkeln schlief. Ein junger Pope mit bitterem Blick betete Milenka Caricas Kruzifix nach Sonnenuntergang dorthin, und bevor der Morgen anbrach, entfernte er es wieder, ohne daß das Mädchen aufwachte. Petruša starrte mich verständnislos an, ihre Hand irrte über ihren Schoß. Hauche einem unberührten Mädchen nur ins Gesicht und achte darauf, wie ausgeliefert ihr Blick wird. Erfahrene Frauen hauchen zurück oder spucken dich an. Petruša Carica war ja noch nicht einmal gewohnt, daß Fremde ihr auf offener Straße Avancen machten.
Ich bin Bademeister, mein Name ist Luft, sagte ich.
Petruša Carica lachte, als habe sie schon verstanden. Die Musiker hatten aufgehört, Imre Portinkó zu malträtieren, und musterten mich. In ihren Gesichtern war nichts Menschliches. In ihren Gesichtern war weder Zweifel noch Mitleid oder Leidenschaft. Sie sahen mich, offenbar sahen sie mich gut, doch wer ich bin, das interessierte sie so wenig wie bei einer Ameise. Ich suchte schleunigst das Weite.
Am nächsten Tag trafen wir uns wieder auf dem Markt, so hatte ich es geplant. Bis dahin hatte ich es mir gründlich überlegt. Ich hatte schon vielen Menschen das Schwimmen beigebracht. Einigen Schwachköpfen natürlich vergeblich. Ich hatte gehört, daß dieser oder jener Unglückliche ertrunken war, die Strömung ihn mitgerissen oder ein Strudel ihn verschluckt hatte, und daran hätte ich mir die Schuld geben können, natürlich. Doch als Bademeister muß ich mit einer gewissen Fehlerquote rechnen, damit, daß eben nicht alle meine Anweisungen vollkommen sind, außerdem kann ich nicht für jeden meiner Schüler verantwortlich sein. Das Schwimmen ist eine nicht weniger ernsthafte Angelegenheit als die Nutzung der Erde oder das Zähmen des Feuers. Ich bemühte mich, die Abenteurer herauszufiltern, die hoffnungslos Ungeschickten. Man könnte natürlich auch fragen, woher ich den Mut und die Lust, woher die Bereitschaft nahm, ausgerechnet im Meerauge von Kupatila meine Arbeit zu tun, wo doch dort vor einigen Jahren Menschen herausgefischt worden waren, Leichen jeden Ranges und Alters, sogar Frauen und Kinder fand man im Wasser, ja, es könnten immer noch Tote darin liegen, Totenköpfe und kleine Brustknochen glitzern tief unten im Schlamm. Zu Recht könnte man fragen, wie ich überhaupt dazu komme, irgend jemandem in diesem See das Schwimmen und Schweben beizubringen, ja, ausgerechnet eine Frau darin auszubilden, mit der unverhohlenen Absicht, ihr die Unschuld zu nehmen, und darauf antworte ich nur, ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung. Ich habe einen Totengräber gekannt, Sascha Grab hieß er, trotzdem erzählte er die besten Witze weit und breit. Ich habe Menschen gekannt, die ihr ganzes Leben unter dem Himmel leise und auf Zehenspitzen herumgingen, Gott sei krank, sagten sie, man dürfe ihn nicht stören, und dabei lächelten sie ihr Leben lang. Ich kenne welche, die der Anblick von Toten geradezu in Hochstimmung versetzt.
Können wir denn aus Versehen leben, Herr Luft, fragte das Mädchen.
Nein, Petruša, wir können nicht aus Versehen leben.
Gibt es denn dann eine Aufgabe, Herr Luft?
Willst du denn lernen, Kind?
Immer mehr werden, Herr Luft!
Wir vereinbarten, daß nach Mitternacht, wenn Milenka Carica ihre Musiker nach Hause schickte, bis auf den einen, von dem sie sich dann immer besteigen ließ, bis das Blut strömte, das Mädchen mir bis zur Abzweigung von Jakulevo folgen würde, wo zwischen zwei Grabhügeln ein Fußweg zu den Trockengärten von Kupatila führt. Es kommt vor, daß nachts die Bäume vergreisen, sich nicht einmal mehr vor dem stärksten Wind verbeugen, nur ächzen und knarren. Ich nahm Walnüsse mit und stach mir eine Nadel in die Schulter, damit auch der Schmerz bei mir war. Ich gehöre eben zur alten Generation. Für mich ist es wichtig, daß auch bei einer guten Umarmung noch etwas fehlt. Ich brauchte nicht lange in die tiefe, blutfarbene Dunkelheit zu starren. Petruša Carica kam, trällernd. Sie betrachtete den See, dann zog sie
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