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Eine Frau - Ein Bus

Titel: Eine Frau - Ein Bus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doreen Orion
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Obwohl ein Teil meiner klinischen Arbeit daraus bestanden hatte, den Patienten begreiflich zu machen, dass sie die Zeit nicht zurückdrehen und die Ereignisse ein zweites Mal durchleben können, wurde mir nun bewusst, inwieweit einem die Wahlmöglichkeit helfen kann, im Leben voranzukommen. Wahlmöglichkeiten wie beispielsweise, sich ein Jahr Auszeit zu nehmen und ein paar Abenteuer zu erleben, statt in der bewährten unbefriedigenden Routine zu verharren. Ein moderner Kurswechsel sozusagen.
    Den Glockenturm zu erklimmen bestärkte mich in meiner Überzeugung, dass Tim und ich tatsächlich eine Wahl darüber trafen, wie wir unser Leben lebten. Und ob es darum ging, Zeit für diesen kleinen Ausflug zu finden (sogar in Donald-Pliner-Lederslippern) oder unsere Karriere auf Eis zu legen - wir machten etwas anders als in der Vergangenheit,
was uns hoffen ließ, dass die Lektionen, die wir auf der Straße darüber gelernt hatten, was wirklich wichtig ist, auch saßen.
    Als Tim mir die schmale Treppe nach oben folgte, kniff er mich auf jeder Stufe spielerisch in den Hintern, ein angenehmer (und ein klein wenig schmerzhafter) Wink, dass alles, was ich mir vor fünfundzwanzig Jahren als Studentin herbeigesehnt hatte, wahr geworden war, selbst wenn ich mir erst jetzt die Zeit nahm, es zu erkennen: Ich war glücklich. Hätte ich mit zwanzig erklärt, was ich im Leben brauche, hätte ich wahrscheinlich »Ein großes Haus, einen erfolgreichen Ehemann und eine tolle Karriere« geantwortet. Doch alles, was ich für mein wahres Glück brauchte, war der heimatlose, arbeitslose Busfahrer hinter mir, der mir auf jeder Stufe in den Hintern zwickte.
     
    Ich liebe diese Gegend, die Finger Lakes, obwohl ich den Teil mit den »Fingern« nie verstanden habe. Ich meine, wenn man sich die Karte ansieht, stellt man fest, dass es in Wahrheit elf Stück davon gibt, obwohl offiziell nur sieben dazu zählen. Aber wer hat schon sieben oder gar elf Finger? Vielleicht hat in dieser Gegend früher einen Meteorit eingeschlagen, der die ersten Kartografen dazu bewogen hat, die erweiterte Anzahl an den Händen ihrer mutierten Folgegenerationen korrekt durch Ehrenbenennungen widerzugeben. Oder vielleicht zeigen ja die in diese üppige Landschaft eingebetteten Gemeinden dem Rest des Staates einfach nur den (oder die) Finger. Wie auch immer, ich liebe die Finger Lakes.
    Bei der Erinnerung daran, wie gern wir mit den Fahrrädern über die ebenen Straßen Minnesotas fuhren, hatte Tim keine allzu große Mühe, mich zu überreden, mich
auch hier einige Male in den Sattel zu schwingen - etwas, was ich während meiner Collegezeit ebenfalls nie getan hatte. In der Nähe von Cornell fanden wir einen herrlichen, leicht zu bewältigenden Fahrradweg über zwei Meilen am Cayuga Lake entlang und wurden mit dem Inbegriff des Lebens an einer Nobel-Uni belohnt: Wir sahen das Ruderteam. (Das nenne ich Anstrengung!)
    Natürlich unternahmen wir auch mit dem Jeep diverse Tagesausflüge in die Umgebung, um Eis essen zu gehen oder an Weinverkostungen teilzunehmen, wobei wir an einem Wasserfall nach dem anderen vorbeikamen. Als wir in die Neutrale Zone von Romulus (zwischen dem Cayuga und dem Seneca Lake) kamen, musste ich einige der Einheimischen fragen, ob sie sich selbst als Romulaner bezeichneten (während Tim so tat, als kenne er mich nicht). Es war, als wäre ich der Alien hier. Beim nächsten Mal bringe ich meine Spock-Ohren mit, vielleicht kapieren sie ja dann, wovon ich rede.
    Als Nächstes fuhren wir nach Bar Harbor, Maine, und während meine Phobie noch immer von Zeit zu Zeit aufflackerte, traf mich ein anderer Crash aus heiterem Himmel: der meines Computers. (Peter hatte ein Programm installiert, das eigentlich »alles beheben« sollte, da ja in Wahrheit mein brandneuer Computer schuld daran war, dass das Satelliten-Internet nicht richtig funktionierte). In den Gelben Seiten von Bangor stießen wir auf Brian, der mir zu Hilfe eilen sollte. Schon bald stellten wir fest, dass er viel mehr war als der typische Computer-Fuzzi: Dieser obsessive, schokoladensüchtige (die säuberlich in seinem Büro aufgereihten Erdnussbuttertörtchen mit Schokoüberzug waren ein sicheres Anzeichen dafür, das selbst ich mit meinen eingerosteten diagnostischen Fähigkeiten korrekt
zu deuten wusste) Wasserski-Freak, der auf Platz drei der Rangliste Neuenglands stand, unterhielt uns mit den Problemchen und Unwägbarkeiten, die die Ausübung seiner Leidenschaft in diesem eisigen Klima mit sich

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