Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eine Frau - Ein Bus

Titel: Eine Frau - Ein Bus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doreen Orion
Vom Netzwerk:
etwas für Weicheier. Mein Superheld-Ehemann verfügt selbstverständlich über sein eigenes eingebautes Zielfluggerät. Ich habe keine Ahnung, wie er das macht, und ausnahmsweise hat auch er keine Erklärung dafür. Er scheint schlicht und ergreifend darauf programmiert zu sein, geradewegs den nächsten Baumarkt anzusteuern - so wie ein Lachs, der instinktiv den Weg zu seinem Laichgrund findet. (Obwohl … wenn es das ist, was bei Sears vor sich geht, wird Tim noch herausfinden, dass er eine Menge mit Fischen gemeinsam hat - denn auch für ihn wird dieser Ausflug das Ende seines Lebenszyklus darstellen.)
    Tim kaufte ein 12-Volt-Batterieladegerät (leider war das alles, was Sears zu bieten hatte, womit sich deren alter Werbespruch »Sie können nicht mehr nach Hause gehen« bewahrheitete). Es dauerte gute vierundzwanzig Stunden, die Batterie aufzuladen. Unglücklicherweise war unser Gebrauchtwassertank voll. Wir hatten vorgehabt, auf dem Weg vom Campingplatz an der Ablassstelle vorbeizufahren. Somit waren wir gezwungen, im Schutz der Dunkelheit immer wieder und unerlaubterweise unser Abwasser in die Landschaft von Neuengland abzulassen, bevor es unsere Tanks überflutete.

    So sehr ich angefangen hatte, Maine zu mögen, irritierte es mich doch ein wenig, wie verdammt nett die Menschen in diesem Bundesstaat sind. Wenn einen in New York jemand anlächelt, kann das eine wohlmeinende Geste, bösartig oder einfach nur verrückt sein - und zwar mit der jeweils gleichen Wahrscheinlichkeit. Wir New Yorker haben die Kunst entwickelt, durch andere hindurchzusehen, als bestünde die gesamte Großstadt aus einer Ansammlung urbaner Gespenster. Dieses Verhalten im Pine Tree State Maine zu praktizieren erschien mir ein wenig unangemessen, also zwang ich mich, das Lächeln zu erwidern. Eigentlich fühlte es sich gar nicht so schlecht an.
    Die Menschen in Maine sind nicht nur aufrichtig freundlich, sondern tun auch gern Dinge: Brian erbot sich, mir den Computer zurückzubringen (was mit einer Stunde Fahrt verbunden war), nachdem die Reparatur länger dauerte als erwartet. Der Mechaniker vom Automobilclub kam freiwillig noch einmal zurück, nur um zu sehen, ob das mit der Ersatzbatterie funktionierte. Ich fürchtete, bei all diesen Tims mit ihrer Freundlichkeit den Verstand zu verlieren. Richtig panisch wurde ich, als ich in einer Bar inmitten von Einheimischen niesen musste und sie alle »Gesundheit« sagten. Probieren Sie das mal in New York: Dort würden die Stammgäste stattdessen am nächsten Tag die Zeitungen nach meinem Nachruf durchforsten, weil sie auf eine billige Wohnung hoffen.
    Da wir ein, zwei nicht geplante Zusatztage hatten (hoffentlich nicht mehr, da die Wettervorhersage den ersten Schneefall prophezeite), griffen wir einen Vorschlag von Brian auf und fuhren mit dem Jeep nach Nordwesten zum gut dreihundert Quadratkilometer großen Moosehead Lake. Die Fahrt dauerte drei Stunden, und als wir hinkamen,
war es bereits Mittagszeit. Zufällig kamen wir an einem hübschen Restaurant in Greenville vorbei, The Black Frog, mit hervorragendem Essen und einer noch lustigeren Speisekarte. »Elchbälle: Zweifellos die zartesten Stücke des Elchs. Bitte 48 Stunden im Voraus bestellen. Anzahlung 25%: $1.495« oder »Zwiebel-Traum: Die Köche hassen es, dieses Gericht zubereiten zu müssen. Ärgern Sie sie und bestellen Sie’s trotzdem«, oder »Misteak on the Lake: Entweder ein tolles Steak-Sandwich oder dieses Restaurant« - so die witzigen Einleitungen und Beschreibungen.
    Danach holten wir uns noch eine Tüte selbstgemachtes Eis an einem Stand gegenüber, ließen Miles aus dem Wagen und setzten uns auf eine Bank am See, um den Wasserflugzeugen beim Starten und Landen zuzusehen. So gestärkt, stürzten wir uns ins Abenteuer Wildnis und fuhren etwa hundert Meilen auf einer nicht befestigten Straße, die Mr. Atlas als »Privatweg« bezeichnete und bei MapBreath noch nicht einmal auftauchte. Zuweilen war sie ziemlich holprig, mit zahlreichen Gelegenheiten abzufahren, den Geländegang einzuwerfen und sich auf die Suche nach Elchen zu machen. Doch obwohl überall Schilder mit kreuzenden Elchen standen und wir durch Gebiete fuhren, in denen es nur so wimmeln sollte, waren Tim und ich offenbar die einzigen Menschen, die den Moosehead Lake besuchten und keines dieser Biester zu Gesicht bekamen.
    Etwa auf halbem Weg kreuzten wir den Appalachian Trail beim Mount Katahdin im Baxter State Park, ganz in der Nähe der Stelle, wo die Wanderer im

Weitere Kostenlose Bücher