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Eine Frau - Ein Bus

Titel: Eine Frau - Ein Bus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doreen Orion
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Herbst ihren Marsch über den knapp dreieinhalbtausend Kilometer langen Fernwanderpfad beenden. Sheryl (die Freundin, die den zweiten Platz bei der Namensfindung des Busses belegt hatte) war vor Jahren einen Teil des Wanderwegs gegangen.
Es ist ihr Lebenstraum, ihn eines Tages ganz zu absolvieren (allem Anschein nach habe ich nicht nur verrückte Patienten, sondern auch verrückte Freunde). Sie hat mir erzählt, die Wanderer erfreuten sich stets über die so genannte »Wandermagie« (sprich, ein bisschen Glück in Form einer unerwarteten Mahlzeit oder einer Mitfahrgelegenheit). Mit Miles auf dem Rücksitz kam Letzteres nicht in Frage (und es stimmte: Die Wanderer waren tatsächlich ziemlich platt), aber ich gab ihnen zumindest ein paar meiner kohlehydratarmen Energieriegel. Sie wurden dankbar angenommen, was ich mich in meiner Überzeugung, wie jämmerlich diese Wanderei doch ist, nur noch bestärkte.
     
    Es gelang uns, Maine gerade noch rechtzeitig zu verlassen, bevor der Schnee kam, dafür bekamen wir eine beachtliche Regenmenge ab, als wir uns Cape Cod, Massachusetts, näherten. Auf unserem Campingplatz gab es einen Whirlpool, und nachdem wir uns eine Runde darin vergnügt hatten, hängten wir unsere Badesachen auf eine Leine am Fußende des Bettes. Am nächsten Morgen stellte ich beim Aufwachen fest, dass meine Füße pitschnass waren. Ich stieß Tim an. Konnten das die Badesachen sein? Ja, antwortete er verschlafen, doch selbst in meinem benebelten Zustand wusste ich, dass ein Badeanzug unmöglich so viel Wasser speichern konnte, selbst wenn ich Kleidergröße 54 tragen würde. Unser Bus leckte.
    Es regnete zwei Tage ununterbrochen. Unser Bus leckte. Tim schmiss sich in sein wasserdichtes Allround-Freak-Superkostüm, holte den brandneuen Heiligen Gral der Leitern aus der Ladeluke (»Was stimmt denn mit der alten Leiter nicht?« - »In einem Bus braucht man eine Leiter, die mehr kann.« - »Ich wusste gar nicht, dass Leitern auch
mehr können.« - »Es ist eine Trittleiter, die man auch ausziehen kann.« Verstehe. Sprich, das Schweizer Armeemesser unter den Leitern, wenn man so will) und breitete eine dicke Plastikplane darüber. Er war nicht der einzige Superheld auf dem Campingplatz, der das tat, auch wenn keiner von ihnen mit einer so schicken Ausrüstung aufwarten konnte. Als das Wetter endlich besser wurde, ging Allround-Freak natürlich noch einen Schritt weiter und machte sich mit dem Superduper-Kleber ans Werk, den Chris ihm empfohlen hatte, um das Zeug mit der neuen Kleberpistole in sämtliche Ritzen zu geben. Dann beseitigte er sämtliche Wasserflecke im Innenraum des Busses mit dem Industrietextilreiniger, den er im dortigen Baumarkt erstanden hatte. (Scheinbar befindet sich in der Nähe jedes Campingplatzes ein Baumarkt, da viele Heimwerker-Superhelden, deren Frauen ihnen die Flügel gestutzt haben, diverse Gefährte als alternative Transportmittel benutzen.)
    Es war auch in Maine, wo ich Friendly’s Restaurants wiederentdeckte. Als Kind waren wir immer zu ganz besonderen Anlässen hingegangen, um uns einen der tollen Burger, gefolgt von ihren berühmten Eisspezialitäten, zu genehmigen. Da es nur an der Ostküste Filialen gab, hatte Tim noch nie davon gehört. Ich kreischte vor Begeisterung, als wir an einem Freitagabend mit dem Jeep zufällig daran vorbeikamen. Seit Jahren hatte ich nicht mehr an Friendly’s gedacht.
    »Wir müssen unbedingt hin! Unbedingt!«, rief die Zwölfjährige in mir, während ich aufgeregt auf meinem Sitz herumhüpfte. Pflichtbeflissen fuhr Tim uns, mich und die Zwölfjährige in mir, an diesem Abend zum Essen hin.
    Ich erinnerte mich nicht nur an das Essen dort, sondern
auch an den Service, der dem Namen der Kette alle Ehre macht. Jeden meiner Sonderwünsche (frittierte Zwiebeln und eine Portion roher Zwiebeln auf meinem Burger, kein Speck, kein Brötchen, kohlehydratarme Schokolade in meinen Milchshake, Ranch-Dressing für meine Zwiebelringe und, nicht zu vergessen, die Steak-Sauce) quittierte die Kellnerin mit einem »KEIN PROBLEM!« Als Kind findet man die Tatsache, dass ein Erwachsener jedes Wort aufsaugt und jeden Wunsch als Befehl behandelt, klasse. Als Erwachsene mit Bus-Phobie war der Klang eines »KEIN PROBLEM!« in einer Situation, in der ich ein wenig Zuversicht mehr als gebrauchen konnte, geradezu befreiend.
    Doch in der nächsten Friendly’s-Filiale in Boston (ja, ich war wild entschlossen, die Lieblingsstätten meiner Kindheit aufzusuchen, während Tim

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