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Eine Frau - Ein Bus

Titel: Eine Frau - Ein Bus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doreen Orion
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sich einließ, als er die
Ketubah, einen auf Hebräisch verfassten Ehevertrag, unterschrieb.
    »Was steht da drin?«, fragte er mich leise.
    »Oh, na ja …«, erwiderte ich so beiläufig, wie ich nur konnte. »Nur dass wir uns gegenseitig gut behandeln … solche Dinge. Es ist ein uraltes Dokument. Alle Paare, die heiraten, haben das.« Wie gebannt sah ich zu, wie er seinen Namen hinter meinen setzte. Erst einige Wochen später sollte er merken, welchen Fehler er begangen hatte.
    »Oh, Tim, Schatz«, säuselte ich. Er, bereits in Stahlkappenstiefeln, Arbeitshose und -hemd, kam die Treppe herunter, stemmte die Hände in die Hüften, stellte sich breitbeinig hin und nickte. »Superman zu Ihren Diensten, Ma’am.« (Schätzungsweise sollte ich an dieser Stelle gestehen, dass wir sein Alter Ego immer Superman genannt hatten. Bis zu dem Tag, als er mit einer eigens vom Optiker in seiner Sehstärke angefertigten Schutzbrille vor mir stand. Das war der Punkt, an dem ich zu »Allround-Freak« überging.) Ich blickte ihn boshaft an.
    »Oh, tut mir leid«, sagte ich mit einem Blick in Richtung Fenster. »Ich hoffe, ich habe deine Deckung nicht auffliegen lassen.« Ich hielt inne. »Könntest du bitte ein paar Möbelstücke verrücken? Ich würde gern sehen, wie das Schränkchen da drüben aussieht.«
    »Später«, erwiderte er. »Jetzt bin ich mitten in -«
    »Oh, aber Schätzchen«, unterbrach ich ihn und klimperte mit den Wimpern, »in der Ketubah steht, dass du immer das tun sollst, was ich möchte, wann immer ich es möchte.« Beim Anblick seines verdatterten Gesichts zuckte ich nur die Achseln. »Du hast es unterschrieben.« (Vor Jahren habe ich eine viel einfachere Taktik herausgefunden, die jede Frau unabhängig von ihrer religiösen Zugehörigkeit
anwenden kann: Wenn es etwas gibt, was er unbedingt lesen soll, speichere ich es unter dem Namen »Meine heißen lesbischen Fantasien« auf dem Computer ab. Funktioniert unter Garantie.)
    Im Lauf unserer fünfzehn gemeinsamen Jahre hat Tim gelernt, sich recht gut mit der jüdischen Kultur zurechtzufinden, obwohl es bei einem unserer Besuche in New York ein eher unsanftes Erwachen für ihn gab, als mein Vater ihm ein Geheimnis anvertraute.
    Mein Vater Henry, gebürtiger Österreicher, ist pensionierter Collegeprofessor, hat seinen Lebensunterhalt jedoch früher als Tischlergeselle verdient. Während meiner Kindheit hat er all unsere Möbel selbst gebaut. Wann immer wir zu Besuch kamen, versuchte Tim, Henry zu bewegen, ihm ein paar Profitricks zu verraten, stellte jedoch schnell fest, dass meine Laissez-faire-Lebenseinstellung … nun ja, irgendwoher kommen musste. Als Tim ihn beispielsweise bat, ihm zu zeigen, wie man ein Schrankscharnier so baut, dass keine Lücken entstehen, winkte mein Vater nur ab. »Ach, nur ein bisschen schmear .« Irgendwann dämmerte Tim, dass die spezielle Verwendung des jiddischen Wortes für »Schmiere« ein Hinweis auf den Einsatz von Holzfüller darstellen sollte.
    Die laxe Lebenseinstellung meines Vaters spiegelt sich in jeder Faser seines Seins wider, bis hin zu seinen Stimmbändern. Er wurde in Österreich geboren, emigrierte 1939 nach Israel und diente im Zweiten Weltkrieg bei der britischen Armee. Deshalb ist sein Akzent unbeschreiblich ausgeprägt und, so hat man mir gesagt, nahezu unverständlich. Als sie einander das erste Mal begegneten, stellte Tim fest, dass er Henry kaum verstand, und nahm mich beiseite. »Du hast mir nicht gesagt, dass dein Vater einen
Akzent hat«, sagte er. »Was für einen Akzent?«, fragte ich. Meine Mutter, die als Tochter zweier Immigranten eines russischen schtedls (ein kleines jüdisches Dorf, wie es sie in Osteuropa früher überall gab) hier in den USA geboren wurde, ist Sprachpathologin und ebenfalls pensionierte Collegeprofessorin. Sie hat sogar einen Bestseller namens Pronouncing American English geschrieben. Ihre Methoden mögen zwar Goldstandard sein, doch auch damit gelang es ihr nicht, den Stimmbändern meines Vaters auf die Sprünge zu helfen. Sie meint, er sei einfach nur starrsinnig. Doch als Tochter meines Vaters kann ich ihr versichern, dass er das nicht ist. Starrsinn würde viel zu viel Aufwand erfordern.
    Vor ein paar Jahren zogen meine Eltern nach New York City, und da mein Vater nicht länger seine Tischlerei im Haus unterbringen konnte, mietete er eine Werkstatt in keiner sonderlich guten Gegend. Eines Tages wurde er beim Verlassen mit dem Messer bedroht und zu Boden geworfen. Zufällig

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