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Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Titel: Eine Frau flieht vor einer Nachricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grossman
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zischelte. Und tatsächlich gingen sie bald auf ihn ein, konnten ihm nicht widerstehen, und auch sie begannen auf ihren Trommeln zu flüstern und zu zischeln, und plötzlich entstand unter ihnen ein Gespräch aus Anspielungen und Geheimnissen, die wohl nur Elfjährige verstehen können.
    Eine Welle der Genugtuung zog durch den Keller. Die Eltern tauschten Blicke. Die Augen der vier Jungen glänzten, Schweißperlen standen auf ihren Gesichtern, die wischten sie sich mit dem Ärmel oder einem schnellen Lecken der Lippen ab, und sie trommelten weiter, murmelten in ihrer Trommelsprache und erzeugten ein dichtes Geräusch, das Ora noch nie gehört hatte, das gleichsam um sie herum kreiste, näher kam und sich wieder entfernte.

    Eine Minute verging und noch eine, bis die vier nicht länger so flüstern konnten, man spürte, wie die Säfte in ihnen aufstiegen, und auf einen Schlag platzten sie heraus und entluden sich mit Donner und Blitz in einem Gewitter. Dann sangen sie noch einmal laut das Anfangslied, und das Publikum sang mit und tobte vor Begeisterung, und Ofer kehrte auf seinen gewohnten Platz im Ensemble zurück, wurde gewissermaßen wieder aufgenommen, schloss sein Türchen hinter sich und stand neben ihnen, ernsthaft und etwas finster. Nur auf seiner Stirn bebten noch die kleinen Fältchen, in denen sie in jener Zeit noch etwas vom Ansturm seiner Gedanken lesen konnte. Auf seinen Wangen glühte der Stolz, und sie dachte damals, Avram, du bist so sehr bei uns. Ilan legte die Hand auf ihren Schenkel. Ilan, der sie in der Öffentlichkeit fast nie berührte. Ihr Glück war vollkommen.

    Du kannst nicht mit mir schlafen, sagte sie nachdenklich, ich kann nicht mit dir schlafen, echote er. Du kannst es einfach nicht, sagte sie, legte das Messer aus der Hand und stand reglos vor dem Spülstein. Ich kann einfach nicht, sagte er befremdet und versuchte, den merkwürdigenTon in ihrer Stimme zu verstehen. Sie streckte eine Hand zur Seite aus, fand, ohne ihn anzuschauen, seine Hand und zog sie zu sich.
    Ora, sagte er zögernd. Warnend. Sie nahm ihm das Messer aus der Hand. Er wehrte sich nicht. Sie verweilte einen Augenblick mit gesenktem Kopf, als wartete sie auf einen Rat von jemand Verborgenem. Vielleicht sogar von Avram, dem Avram von früher. Danach zog sie ihn hinter sich her ins Schlafzimmer. Er ging, als hätte er keinen eigenen Willen. Als wäre alle Vitalität aus ihm gewichen. Sie legte ihn auf den Rücken und schob ihm ein Kissen unter den Kopf. Ihr Gesicht war seinem sehr nahe. Sie küßte ihn leicht auf die Lippen, das erste Mal, seit er aus der Gefangenschaft zurück war, setzte sich neben ihm auf die Bettkante und wartete darauf, sich selbst zu verstehen.
    Du kannst nicht mit mir schlafen, sagte sie noch einmal etwas energischer. Ich kann nicht mit dir schlafen, wiederholte er vorsichtig, verstand nicht, was sie vorhatte. Du kannst jetzt einfach nicht mit mir schlafen, stellte sie fest und begann, ihre Bluse auszuziehen. Ich kann einfach nicht, wiederholte er misstrauisch. Auch wenn ich meine Bluse ausziehe, macht dir das nichts aus. Auch wenn du sie ausziehst, sagte er und verfolgte ausdruckslos die zu Boden fallende Bluse. Auch wenn ich zum Beispiel das hier ausziehe, fügte sie völlig sachlich hinzu, hoffte, dass Avram ihre Verlegenheit nicht bemerkte, und zog den BH aus, das interessiert dich überhaupt nicht, sagte sie und tastete, ohne ihn anzuschauen, nach seiner Hand und legte sie sich auf die rechte Brust, die kleiner und empfindlicher war, der Avram von früher hatte sich immer zuerst ihrer angenommen, und sie streichelte sich ein bisschen. Gar nichts, murmelte er und schaute, wie seine Hand die reine, zarte Brust streichelte, und diese drei Worte – reine, zarte Brust – strahlten aus unglaublicher Entfernung durch eine dicke Schale der Unempfindlichkeit hindurch in ihm auf. Auch nicht, wenn ich, sagte sie, stand auf und wand sich mit weichen Hüftbewegungen langsam aus ihrer Hose und fragte sich die ganze Zeit, was sie da eigentlich tat, sie spürte, sie würde es erst verstehen, indem sie es tat; gar nichts, sagte er vorsichtig, schaute auf ihre langen, hellen Beine, und auch das nicht, murmelte sie, zog sich den Slip aus und stand nackt vor ihm, dünn, hochgewachsen und beflaumt. Zieh dich aus, flüsterte sie, nein, lass mich dich ausziehen, du hast ja keine Ahnung, wie lang ich darauf gewartet habe.
    Sie zog ihm Hemd und Hose aus. Er lag in der Unterhose da und sah bekümmert aus. Du kannst

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